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Gibt es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Elternzeit?

Gibt es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Elternzeit?
Aktuelles
13.06.2024 — Lesezeit: 13 Minuten

Gibt es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Elternzeit?

Das kann durchaus der Fall sein, meint das Arbeitsgericht (ArbG) Essen (ArbG Essen, Urt. v. 16.04.2024 – 3 C 2231/23). Obwohl der im Fall maßgebliche Tarifvertrag einen solchen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie (IAP) für Arbeitnehmer, die sich in der Elternzeit befinden, nicht vorsah, erkannte das Gericht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach Meinung des Gerichts verstößt der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit  – jedenfalls im konkret entschiedenen Fall – gegen das Willkürverbot.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Die Tarifvertragsparteien – auch die des öffentlichen Dienstes – sind bei ihrer Normsetzung nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden. Die Gerichte für Arbeitssachen sind aber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zum Schutz der Grundrechte berufen. Der hieraus folgende Schutzauftrag verpflichtet sie dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Die Gerichte müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen. Das führt zu einer mittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien. Das gilt auch für den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Die Gerichte sind darum aufgrund des Schutzauftrags der Verfassung auch verpflichtet, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind (´Gesamtpaket´), und kann damit zur Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte der Tarifvertragsparteien führen. Tarifnormen sind deshalb im Ausgangspunkt auch am Gleichheitssatz zu messen. Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Verbände setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt, der dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen ist. So belässt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG den Tarifvertragsparteien etwa bei der Festlegung, ob und welche Erschwernisse sie durch finanzielle oder andere Zulagen in welchem Umfang ausgleichen wollen, grundsätzlich einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Solche an situationsgebundene Kriterien anknüpfenden Festlegungen beruhen wesentlich auf tarifpolitischen Wertungen und Gestaltungen im Bereich der Lohnfindung, die nach der Konzeption des Grundgesetzes grundsätzlich den Tarifvertragsparteien übertragen ist, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen als eine staatlich beeinflusste Lohnfindung führt. Welche Erschwernisse sie auf der Grundlage ihrer Spezialkenntnisse der Bereiche, für die sie Regelungen treffen, in welcher Weise und Höhe ausgleichen wollen, bleibt daher grundsätzlich den Tarifvertragsparteien überlassen. Das schließt auch die Befugnis zu Zulagenregelungen ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen. Die den Tarifvertragsparteien bei der Festlegung solcher situationsgebundenen Zulagen zukommende Einschätzungsprärogative ist ebenso wie bei Stichtagsregelungen als ´Typisierungen in der Zeit´ grundsätzlich erst dann überschritten, wenn das Willkürverbot als äußerste Grenze der Tarifautonomie verletzt ist. Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist deshalb nur, ob Tarifregelungen, mit denen die Tarifvertragsparteien solche Erschwernisse ausgleichen wollen, offenkundig auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruhen. Das ist der Fall, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Jedenfalls bei dieser Willkürkontrolle ist deshalb nicht ausschlaggebend, ob die maßgeblichen Gründe im Tariftext Niederschlag gefunden haben oder diesem zumindest im Wege der Auslegung zu entnehmen sind. Maßgeblich für die Annahme eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot ist nicht eine etwaige subjektive Willkür des Normgebers. Erforderlich ist vielmehr die objektive Unangemessenheit der Norm im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die sie regeln soll, und damit objektive Willkür (vgl. BAG vom 20.07.2023 – 6 AZR 256/22, juris Rdn. 37ff.).

Der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit verstößt gegen das vorstehende Willkürverbot.

Zwar ist es zulässig, Arbeitnehmer in Elternzeit von bestimmten Leistungen auszunehmen. Jedoch muss im konkreten Fall die Differenzierung zwischen dem Kreis der Anspruchsberechtigten und demjenigen der Nichtberechtigten sachlich nachvollziehbar sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Leistungen nach dem TV Inflationsausgleich stellen keine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung dar. Es mag sein, dass die Tarifvertragsparteien diese Sonderzahlungen anstelle einer entsprechend früheren Anhebung der Tabellenvergütung vereinbart haben, um die Möglichkeit einer steuer- und sozialabgabenfreien Sonderprämie zu nutzen, die der Gesetzgeber aus gesamtwirtschaftlichen Gründen zur Verhinderung einer als ungünstig angesehenen Lohnentwicklung geschaffen hat. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Tarifvertragsparteien sich darauf verständigt haben, die Tabellenentgelte erst später zu erhöhen, und sie stattdessen Sonderzahlungen beschlossen haben, deren Höhe nicht von der jeweiligen Entgeltgruppe abhängt und für die nicht die Erbringung von Arbeitsleistung im Bezugszeitraum Voraussetzung ist, sondern der Anspruch auf Entgelt an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum (§ 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1), wobei als Entgelt unter anderem auch der Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 und 3 TVöD zählt, auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird (§ 4 Abs. 2 S. 1). Ebenso anspruchsberechtigt ist ein Arbeitnehmer, wenn er an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum Krankengeld bei Erkrankung des Kindes nach § 45 SGB V bezieht (§ 4 Abs. 2 S. 3), im gesamten Bezugszeitraum jedoch keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Arbeitgeber hat.

Auch die Arbeitnehmer in den beiden vorstehend genannten Konstellationen, die keinerlei finanzielle Leistungen vom Arbeitgeber beziehen, erhalten den Inflationsausgleich.

Die Kammer geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien bezweckt haben, Krankengeldbezieher, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss vom Arbeitgeber erhalten, mit solchen Arbeitnehmern gleichzustellen, die einen Krankengeldzuschuss bekommen, und dass sie Kinderkrankengeldbezieher – die keine Leistungen des Arbeitgebers erhalten – mit Arbeitnehmern gleichstellen wollten, die wegen eigener Erkrankung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. Krankengeld mit Krankengeldzuschuss beziehen und auch mit Arbeitnehmern, die bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 1 Buchst. e) TVöD in Anspruch nehmen.

Aber auch unter Berücksichtigung dieser Umstände ist für die Kammer im Ergebnis kein sachlich einleuchtender Grund dafür ersichtlich, warum Arbeitnehmer in Elternzeit (die nicht in Teilzeit tätig sind), keinen Inflationsausgleich erhalten sollen, Arbeitnehmer im Krankengeldbezug, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss bekommen, hingegen schon, ebenso wie Arbeitnehmer, die im Bezugszeitraum nur Kinderkrankengeld beziehen.

In der Elternzeit ruhen die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten (vgl. BAG vom 08.05.2018 – 9 AZR 8/18, juris Rdn. 22). Ein Arbeitsverhältnis ruht, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten kraft Gesetzes oder (ggf. konkludenter) vertraglicher Vereinbarung suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung nicht mehr verlangen und durchsetzen kann (vgl. BAG vom 12.10.2022 – 10 AZR 496/21, juris Rdn. 32).

Im Falle einer über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehenden Erkrankung ruht das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht, vielmehr liegt auf Seiten des Arbeitnehmers eine Leistungsstörung vor (vgl. BAG vom 12.10.2022 – 10 AZR 496/21, a.a.O. Rdn. 33).

Allein die Schlagworte ´ruhendes Arbeitsverhältnis´ einerseits und ´Leistungsstörung´ andererseits sind jedoch nicht ausreichend, um einen sachlich vertretbaren Differenzierungsgrund zu bilden. Vielmehr ist zu prüfen, worin die inhaltlichen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede konkret bestehen.

In allen drei Konstellationen besteht das Arbeitsverhältnis fort, ohne dass ein Austausch wechselseitiger Leistungen stattfindet und ohne dass der Arbeitgeber finanzielle Leistungen erbringt.

Während der längerfristig erkrankte Arbeitnehmer und derjenige, dessen Kind erkrankt ist, Krankengeld von seiner Krankenkasse bezieht, bezieht ein Arbeitnehmer in Elternzeit typischerweise Elterngeld von der öffentlichen Hand.

Alle drei Gruppen sind in gleicher Weise von gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen.

Sowohl Arbeitnehmer in Elternzeit als auch Arbeitnehmer im Krankengeldbezug sind betriebstreu. Sie nehmen ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit typischerweise nach ihrer Genesung bzw. nach Ablauf der Elternzeit wieder auf. Entsprechendes gilt für den Fall des Kinderkrankengeldbezugs.

Dass der Zeitpunkt des Endes der Elternzeit in der Regel feststeht, der Zeitpunkt der Genesung hingegen regelmäßig nicht, ist kein sachliches Differenzierungskriterium. Die Unsicherheit, ob und wann der langzeiterkrankte Arbeitnehmer die Arbeitsfähigkeit wiedererlangt bzw. er nach Genesung seines Kindes wieder arbeiten kann, ist kein Grund, diesen gegenüber einem Arbeitnehmer günstiger zu behandeln, dessen Rückkehrzeitpunkt feststeht.

Zwar hat der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG das Recht, den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Eine entsprechende Kürzungsmöglichkeit im Falle einer Langzeiterkrankung oder des Kinderkrankengeldbezugs besteht nicht. Jedoch besteht kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Dauer des Urlaubsanspruchs und dem Zweck des Inflationsausgleichs.

Der einzige für die Kammer feststellbare Unterschied besteht darin, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit vom Willen des Arbeitnehmers abhängt, der ein gesetzliches Gestaltungsrecht ausübt, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers jedoch nicht. Dieser Unterschied mag auch zwischen Elternzeit und Kinderkrankengeldbezug bestehen, denn der Anspruch nach § 45 Abs. 1 SGB V ist nur gegeben, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass das Elternteil zur Pflege des erkrankten Kindes der Arbeit fernbleibt und eine andere im Haushalt lebende Person das Kind nicht pflegen kann.

Dieser Unterschied, die Ausübung eines gesetzlichen Gestaltungsrechts durch den Arbeitnehmer, ist jedoch nach Überzeugung der Kammer kein zulässiges Differenzierungskriterium, da das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen, in Art 6 Abs. 2 GG verankert ist.

Dem Argument der Beklagten, grundsätzlich liege die Entscheidung, Elternzeit zu beanspruchen, bei der jeweiligen Person, denkbar und möglich sei nämlich auch, dass der andere Elternteil das Kind betreut, eine häusliche Betreuung des Kindes durch eine andere Person erfolgt oder eine außerhäusliche Betreuung, etwa in einer Kindertagesstätte, gewählt wird (Bl. 181.0.F d.A.), ist entgegenzuhalten, dass es faktisch ebenfalls bei der jeweiligen Person liegt, zu entscheiden, dass das erkrankte Kind durch den anderen Elternteil oder eine sonstige Person gepflegt wird. Dass der bescheinigende Arzt diese Auswahl vornimmt, ist fernliegend.

Zudem – darauf weist die Klägerin zu recht hin (Bl. 189 d.A.) – wird die freie Entscheidung in Bezug auf die Inanspruchnahme der Elternzeit dadurch relativiert, dass – wenn man denn die Fremdbetreuung eines Kindes ab einem Alter von acht Wochen für angemessen erachtet – nicht ausreichend Plätze in Betreuungseinrichtungen vorhanden sind, um eine Berufstätigkeit aller Eltern ab dem Ende der Mutterschutzzeit zu ermöglichen, erst recht keine Vollzeitbeschäftigung.

Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2023 – 10 AZR 288/22 (insb. Rdn 77, juris) folgt lediglich, dass es eine zulässige Unterscheidung darstellen kann, wenn sich Tarifvertragsparteien, Betriebspartner bzw. Arbeitgeber entscheiden, zwischen Arbeitnehmern, die Lohn bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beziehen, und solchen, die (z.B. aufgrund Elternzeit) keinerlei Leistungen des Arbeitgebers erhalten, zu differenzieren (siehe auch die Betriebsvereinbarung in der vorstehend genannten Entscheidung, Rdn. 3 bei juris). Vorliegend gibt es jedoch keine derartige stringente Differenzierung, denn Arbeitnehmer im Krankengeldbezug, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss bekommen, und Arbeitnehmer, die im Bezugszeitraum nur Kinderkrankengeld beziehen, sind sehr wohl anspruchsberechtigt.

Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in Elternzeit und Arbeitnehmern, die Kinderkrankengeld beziehen, ist auch nicht darin zu erblicken, dass die Elternzeit typischerweise einen längeren Zeitraum umfasst als die Bezugsdauer von Kinderkrankengeld. Erhält ein Arbeitnehmer auch nur für einen Tag im Bezugszeitraum reguläres Arbeitsentgelt, ist er ohnehin anspruchsberechtigt. Ob er darüber hinaus an anderen Tagen im Bezugszeitraum Kinderkrankengeld bezieht, ist unerheblich. Die Regelung, wonach ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf den Inflationsausgleich hat, wenn er an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum Kinderkrankengeld bezieht, hat daher nur Relevanz in Fällen, in denen im Bezugszeitraum kein Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Außerdem betrug die maximale Bezugsdauer von Kinderkrankengeld im Jahr 2023 pro Kind 30 Arbeitstage bzw. 60 Arbeitstage für Alleinerziehende. Warum diese Konstellation anders zu behandeln ist als diejenige, in der ein Arbeitnehmer einen Monat Elternzeit nimmt, ist nicht nachvollziehbar.

Dass solche Widersprüche auftreten, beruht auch nicht darauf, dass eine abstrakt-generelle tarifliche Regelung in ungewöhnlichen Sachverhaltskonstellationen vereinzelt zu Härtefällen führt. Ursache ist vielmehr, dass die Tarifvertragsparteien gezielt Ausnahmen von der Voraussetzung „Anspruch auf Entgelt gegen den Arbeitgeber“ vorgenommen haben, von denen jedenfalls zwei so gestaltet sind, dass nach Auffassung der Kammer kein sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung zur Konstellation der Elternzeit feststellbar ist.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob Arbeitnehmer, die unbezahlten Sonderurlaub nehmen, ebenfalls in unzulässiger Weise benachteiligt werden und daher so zu stellen sind, als zählten sie zum Kreis der Begünstigten.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, wegen einer Teilzeittätigkeit der Klägerin nur zu einer anteiligen Zahlung gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 TV Inflationsausgleich i.V.m. § 24 Abs. 2 TVöD verpflichtet zu sein.

Aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden wie eine Vollzeitkraft.

Auch hier ist kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund dafür ersichtlich, warum  Arbeitnehmer mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag, die im Rahmen ihrer Elternzeit in Teilzeit arbeiten, einen verminderten Inflationsausgleich erhalten, während Arbeitnehmer im Krankengeldbezug, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss bekommen und die eine Vollzeitanstellung haben, aber keinerlei Arbeitsleistung im Bezugszeitraum verrichten, den vollen Inflationsausgleich beziehen. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Arbeitnehmer, die Kinderkrankengeld erhalten.

Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht bezogen auf den von den Tarifpartnern des öffentlichen Dienstes abgeschlossenen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 25.10.2022 ausgeführt hat: ´Der tarifvertragliche Zweck, mit der einmaligen Corona-Sonderzahlung allen Beschäftigten unter der Voraussetzung eines zum Stichtag bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie eines Entgeltanspruchs im Referenzzeitraum einen anlassbezogenen, an das individuelle Arbeitsentgelt angepassten Zuschuss zum individuellen Arbeitsentgelt zu gewähren, steht einer quantitativen Differenzierung nicht entgegen. Es ist nicht sachfremd, dass die Tarifvertragsparteien den Umfang der Beteiligung des Arbeitgebers an den allgemeinen Corona-Folgen an die der individuell vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden Vergütung anknüpfen, aus der die Beschäftigten ihre Aufwendungen erfahrungsgemäß decken.´ (vgl. BAG vom 28.03.2023 – 9 AZR 132/22, juris Rdn. 25).

Nach Überzeugung der Kammer wäre eine derartige Differenzierung jedoch vorliegend nur dann nachvollziehbar, wenn die Tarifvertragsparteien den Entgeltanspruch im Referenzzeitraum tatsächlich zur zwingenden Anspruchsvoraussetzung erhoben hätten. Dies ist jedoch aufgrund der Ausnahmefälle ´Kinderkrankengeldbezug´ und ´Krankengeldbezug ohne Krankengeldzuschuss wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers´ gerade nicht der Fall.

Im Übrigen wäre es nicht sachlich nachvollziehbar, wenn Arbeitnehmer mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag, die sich in Elternzeit ohne Teilzeitbeschäftigung befinden, einen Anspruch auf den vollen Inflationsausgleich hätten, Arbeitnehmer mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag, die während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten, hingegen nur einen Anspruch auf einen anteiligen Inflationsausgleich.“

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Dr. Stefan Müller-Thele
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