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Equal Pay – Gleiches Geld für gleiche Arbeit – was das neue BAG-Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet

Ein Urteil mit Signalwirkung

Equal Pay – Gleiches Geld für gleiche Arbeit – was das neue BAG-Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet
Aktuelles
04.11.2025 — Lesezeit: 5 Minuten

Equal Pay – Gleiches Geld für gleiche Arbeit – was das neue BAG-Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. Oktober 2025 (Az. 8 AZR 300/24) ein Grundsatzurteil zur Entgeltgleichheit gefällt. Es geht um die Frage, ob eine Frau allein auf den Vergleich mit einem männlichen Kollegen verweisen darf, um eine geschlechtsbedingte Benachteiligung beim Gehalt zu vermuten. Die Antwort des BAG ist klar: Ja, ein einziger besser bezahlter Mann genügt. Dieses Urteil stärkt Arbeitnehmerinnen und verschärft zugleich die Haftungsrisiken für Arbeitgeber.

Hintergrund: Die rechtliche Ausgangslage

Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und § 3 Abs. 1 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) garantieren das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“. Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ist nach § 7 i.V.m. § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten.Nach § 22 AGG genügt bereits ein Indiz, um eine geschlechtsbedingte Benachteiligung zu vermuten. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt ist.

Bislang verlangten manche Landesarbeitsgerichte, dass eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für eine Benachteiligung bestehen müsse. Das BAG stellt nun klar: Eine solche Hürde gibt es nicht. Es reicht, dass eine Arbeitnehmerin belegen kann, dass ein männlicher Kollege für gleiche oder gleichwertige Arbeit mehr verdient.

Der Fall: Eine Managerin gegen Daimler Truck

Eine Führungskraft aus der mittleren Ebene von Daimler Truck berief sich auf das firmeneigene Entgelt-Dashboard, das Medianwerte männlicher und weiblicher Gehälter zeigte. Ihr Gehalt lag unter dem der Männer – auch unter dem eines einzelnen männlichen Kollegen in gleicher Position. Sie verlangte rückwirkend die Entgeltdifferenz.

Der Arbeitgeber argumentierte, die Klägerin arbeite schlechter und werde deshalb nicht nur im Vergleich zu Männern, sondern auch zu Frauen unterdurchschnittlich bezahlt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg lehnte den vollen Anspruch ab – das BAG hob dieses Urteil auf.

Die Kernaussage des BAG: Ein „Paarvergleich“ genügt

Das BAG entschied, dass die Klägerin sich zur Begründung einer Vermutung im Sinne des § 22 AGG auf nur eine Vergleichsperson stützen kann. Eine statistische Auswertung, etwa anhand von Medianwerten oder Gruppenvergleichen, ist nicht erforderlich.

Wichtig ist:

  • Das Vorliegen einer Entgeltdifferenz bei gleicher Arbeit begründet automatisch eine Vermutung der Diskriminierung.
  • Der Arbeitgeber trägt die volle Beweislast, diese Vermutung zu widerlegen.
  • Leistungsargumente müssen konkret belegt werden. Allgemeine Behauptungen über „mangelhafte Leistung“ genügen nicht.

Das BAG folgt damit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil v. 3. Juni 2021 – C-624/19), der in der Sache „Tesco Stores“ betonte, dass nationale Hürden für Entgeltgleichheitsklagen europarechtswidrig sind (Ar­beit­neh­mer kön­nen sich in Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Pri­va­ten so­wohl bei „glei­cher“ als auch bei „gleich­wer­ti­ger Ar­beit“ un­mit­tel­bar auf den uni­ons­recht­lich ver­an­ker­ten Grund­satz des glei­chen Ent­gelts für Män­ner und Frau­en be­ru­fen.).

Kritische Bewertung: Klare Linie, aber schwierige Beweislast

Das Urteil ist konsequent europarechtlich begründet. Es stärkt die praktische Durchsetzbarkeit von Equal-Pay-Ansprüchen und schafft Rechtssicherheit für Arbeitnehmerinnen.

Gleichwohl ist die Entscheidung nicht frei von Kritik:

Die Vermutungswirkung wird sehr leicht ausgelöst, was Arbeitgeber faktisch zu „Negativbeweispflichten“ zwingt. Das ist praktisch kaum zu erfüllen, wenn das Entgeltsystem intransparent oder individuell ausgehandelt ist. Die Anforderungen an die Dokumentation und Begründung von Gehaltsentscheidungen steigen erheblich.

Dennoch ist das Urteil ein notwendiger Schritt, um den bisher hohen Darlegungshürden der Arbeitnehmerseite entgegenzuwirken. Es zwingt Unternehmen, faire, nachvollziehbare und überprüfbare Vergütungssysteme zu schaffen.

Risiken für Arbeitgeber: Wo Ungleichbehandlung teuer werden kann

Arbeitgeber, die bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit unterschiedlich vergüten, riskieren nicht nur Nachzahlungen, sondern auch:

  1. Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG
    auch bei fahrlässiger Benachteiligung.
  2. Rufschaden und Reputationsrisiken
    insbesondere bei großen Unternehmen mit Transparenzpflicht nach dem EntgTranspG.
  3. Folgekosten interner Nachforderungen
    ein Urteil kann Signalwirkung auf andere Beschäftigte entfalten.
  4. Verstöße gegen EU-Recht
    können zu Sanktionen bei öffentlichen Aufträgen führen.

Was Arbeitgeber jetzt tun sollten

  • Transparente Entgeltsysteme schaffen: Einheitliche Kriterien (Qualifikation, Erfahrung, Leistung) schriftlich fixieren.
  • Dokumentationspflichten ernst nehmen: Entscheidungen über Gehaltserhöhungen oder Boni nachvollziehbar dokumentieren.
  • Regelmäßige Entgeltanalysen durchführen: interne Equal-Pay-Audits oder Nutzung von Entgelttransparenz-Tools.
  • Schulungen für Führungskräfte: Sensibilisierung für Gleichbehandlungsfragen.
  • Juristische Prüfung von Entgeltstrukturen: vor allem bei individuellen Gehaltsverhandlungen.

So können Unternehmen vermeiden, dass eine Gehaltsdifferenz automatisch als Diskriminierungsverdacht gilt.

Was Arbeitnehmerinnen tun können

  • Vergleichsperson identifizieren: Ein männlicher Kollege in gleicher oder gleichwertiger Position reicht.
  • Daten aus dem Entgelttransparenzgesetz nutzen: Anspruch auf Auskunft nach § 10 ff. EntgTranspG.
  • Beweissicherung: E-Mails, Gehaltsabrechnungen, Dashboard-Angaben dokumentieren.

Fazit: Das BAG setzt ein klares Signal

Das Urteil des BAG vom 23. Oktober 2025 stärkt die Rechte von Arbeitnehmerinnen spürbar. Es genügt, eine einzelne Entgeltdifferenz nachzuweisen, um die Vermutung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung auszulösen. Arbeitgeber stehen nun stärker in der Pflicht, ihre Vergütungssysteme auf Transparenz und Gleichbehandlung zu überprüfen. Gleiches Geld für gleiche Arbeit ist damit nicht mehr nur ein politisches Ziel, sondern eine justiziable Verpflichtung.

Wenn Sie prüfen möchten, ob Ihr Entgeltsystem rechtssicher gestaltet ist oder ob Sie Ansprüche auf Entgeltausgleich haben, sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie dabei, faire Vergütung und rechtliche Sicherheit zu gewährleisten.

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Aigerim Rachimow, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: dresden@etl-rechtsanwaelte.de


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