Zum Beginn der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sich mit dem Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BG befasst (OLG Hamm, Urt. v. 01.09.2023 – 30 U 195/22). Es hat entschieden, dass der Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten für den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausreichen soll.
In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es dazu:
„Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.
Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht identisch mit Rückgabe im Sinne von § 546 BGB. Rückerhalt setzt grundsätzlich die unmittelbare Sachherrschaft (§ 854 BGB) des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten voraus. Entscheidend ist, dass der Vermieter die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört untersuchen kann und der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz vollständig und unzweifelhaft aufgibt (BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 -, juris Rn. 11 mwN.). Das gilt auch, wenn das Mietverhältnis erst nach Rückerhalt endet (BGH, Urteil vom 15.03.2006 – VIII ZR 123/05 -, juris Rn. 9); die Beendigung des Mietverhältnisses ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns (BGH, Urteil vom 12.10.2011 – VIII ZR 8/11 -, juris Rn. 14 mwN.).
(…) Unstreitig hat die Beklagte die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen. Darin ist eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Es steht nicht in Rede, dass die Beklagte etwa noch Zugang zu den Mieträumen hatte.
Der Kläger hat von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die Schlüssel am 07.01.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da die Beklagte das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, war für den Kläger die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft.
(…) Dem Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der Kläger zu einer Rücknahme der Mietsache nicht bereit war.
(…) In Rechtsprechung und Literatur werden zwar unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt.
Nach einer Auffassung sind die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausgelöst werde, sobald der Mieter die erfüllungstaugliche Rückgabe der geräumten Mietsache anbiete (so etwa KG, Urteil vom 21.05.2014 – 12 U 9284/99 -, ZMR 2005, 455; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., § 17 Rn. 51).
Nach anderer Auffassung bleibt der Annahmeverzug mit der Rücknahme der Mietsache ohne Einfluss auf den Beginn der Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB; vielmehr könne nur die tatsächliche Besitzaufgabe durch den Mieter (z.B. durch Schlüsseleinwurf bei dem Vermieter) den Lauf der Verjährungsfrist auslösen, weil erst dadurch der Vermieter die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalte, von der der Beginn der Verjährungsfrist abhänge (Witt NZM 2012, 545, 548; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht,15. Aufl. 2021, BGB § 548 Rn. N01).
Schließlich wird vertreten, dass es – unabhängig vom Vorliegen eines Annahmeverzugs – der Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Vermieter gleichstehe, wenn dieser sich selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er ein Angebot des Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist (Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, BGB § 548 Rn. 22).
(…) Der Bundesgerichtshof hat die Beantwortung dieser Frage bislang offengelassen (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 -, juris Rn. 19; Urteil vom 12.10.2011 – VIII ZR 8/11 -, juris Rn. 17). Einer Entscheidung hierüber bedarf es auch vorliegend nicht.
Nach sämtlichen vorgenannten Ansichten beginnt die Verjährungsfrist nämlich jedenfalls mit Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter und Aufgabe des Besitzes an diesem durch den Mieter.
Nach den letztgenannten beiden Auffassungen hat die tatsächliche Besitzaufgabe durch die Beklagte den Lauf der Verjährungsfrist auslöst, weil der Kläger hierdurch die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalten oder er sich mit der Verweigerung der Besitzergreifung selbst dieser Möglichkeit begeben hat.“