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Ist die Bestätigung am Unfallort als Schuldanerkenntnis zu verstehen?

Zum Schuldeingeständnis nach einem Verkehrsunfall
Ist die Bestätigung am Unfallort als Schuldanerkenntnis zu verstehen?
Frage des Tages
14.06.2022

Ist die Bestätigung am Unfallort als Schuldanerkenntnis zu verstehen?

Zum Schuldeingeständnis nach einem Verkehrsunfall

Siehe dazu OLG München, Urt. v. 19.01.2022 – 10 U 1617/21. In dem entschiedenen Fall hatte einen Unfallbeteiligter im Anschluss an einen Verkehrsunfall erklärt:

Hiermit bestätige ich Schuld am Unfall zu sein.

Dokumentiert laut Fotos.

S. C.„.

In den Entscheidungsgründen führt das Gericht aus:

„Die offensichtlich am Unfallort abgegebene schriftliche Erklärung der Beklagten zu 2) stellt kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar.

Der BGH hat hierzu ausgeführt: ´Unter einem deklaratorischen (bestätigenden) Schuldanerkenntnis – einem im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelten Vertragstypus – versteht man einen Vertrag, der im Unterschied zum sog. konstitutiven Schuldanerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage hebt, sondern diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, daß er ihn Einwänden des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht. Entzogen werden dem Anspruchsgegner Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. Zweck eines solchen Vertrages ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen (vgl. BGHZ 66, 250, 253 ff und 69, 328, 331; BGH, Urteile vom 13. März 1974 – VII ZR 65/72 – WM 1974, 410; Senatsurteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 304/79 – VersR 1981, 1158 ff., jeweils m.w.Nachw.).´ (BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 – VI ZR 64/82 -, Rn. 13, juris).

Ein Vertrag, dem eine so weitreichende Rechtswirkung beigemessen wird, kann aber nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 -, a.a.O., Rn. 14, juris). Dies setzt insbesondere voraus, dass die mit einem einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen „der Interessenlage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Eine generelle Vermutung dafür, daß die Parteien einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag abschließen wollten, gibt es nicht“ (BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 -, a.a.O., Rn. 14, juris).

Gemessen hieran kann die schriftliche Erklärung der Beklagten zu 2) am Unfallort nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet werden. Der Erklärung fehlt der rechtsgeschäftliche Charakter. Es handelt sich um eine bloße Stellungnahme der Beklagten zu 2) zum Unfallhergang (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 – a.a.O., Rn. 15, juris). Hierbei gilt insbesondere zu beachten, dass die Erklärung offenbar direkt am Unfallort gegenüber der Klageseite und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Eindruck des Verkehrsunfallgeschehens auf die Beklagte zu 2) (Stichwort: „Schocksituation“) erfolgt ist.

Im Übrigen hat das Erstgericht vollkommen zutreffend darauf hingewiesen, dass der vermeintliche Schädiger zu Lasten der eigenen Haftpflichtversicherung entsprechende Erklärungen nicht abgeben kann. Nach § 7 Abs. II (1) AKB ist der Versicherungsnehmer in seinem Verhältnis zum Versicherer grundsätzlich nicht berechtigt ohne vorherige Zustimmung des Versicherers, einen Anspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 – a.a.O., Rn. 15, juris).“

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Autor(en)


Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

Mail: halle@etl-rechtsanwaelte.de


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