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Was ist bei der Bestellung eines Vorstands einer AG zum Geschäftsführer einer „Tochter-GmbH“ rechtlich zu beachten?

Frage des Tages
13.05.2022

Was ist bei der Bestellung eines Vorstands einer AG zum Geschäftsführer einer „Tochter-GmbH“ rechtlich zu beachten?

Mit der Frage hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main befasst (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 04.01.2022 – 20 W 225/29, NJW-Spezial 2022, 176 f.. Das Gericht hat sich in diesem Zusammenhang zugleich mit Frage nach der Frage der Anwendbarkeit von §§ 112 AktG, 181 BGB und 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG befasst.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„a. Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach dann, wenn sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, kein Verstoß gegen § 112 AktG vorliegt, da dieser in der genannten Konstellation keine Anwendung findet (so etwa Oberlandesgericht München, Beschluss vom 08.05.2012, Az. 31 Wx 69/12, Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 26.11.1999, Az. 4 HK T 9627/99, Hopt/Roth in: Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 112, Rn. 70, Drygala in K.Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 112, Rn. 9, Jaeger in Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 89. Lieferung 10.2021, Der Aufsichtsrat, Rn. 9.174a, jeweils zitiert nach juris, Spindler in beck-online.GROSSKOMMENTAR, AktG, Stand 01.09.2021, § 112, Rn. 26, Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2013, § 112, Rn. 4, jeweils zitiert nach beck-online; vgl. auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 17.11.2000, Az. 3Z BR 271/00, zitiert nach beck-online, welches die § 112 AktG entsprechende Regelung des § 39 Abs. 1 S. 1 GenG im Falle einer Bestellung des gesetzlichen Vertreters des Gesellschafters einer GmbH mit dessen Stimme zum Geschäftsführer nicht einmal erwähnt hat; a.A. etwa Landgericht Berlin, Beschluss vom 18.12.1996, Az. 98 T 79/96, zitiert nach juris; vgl. in diesem Zusammenhang auch: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 12.04.2006, Az. 21 U 37/05, zitiert nach juris, wonach § 112 AktG nicht einschlägig sein soll für einen Geschäftsführungsvertrag zwischen dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, an der diese lediglich als Kommanditistin bzw. als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist – insoweit a.A. etwa Jaeger, aaO – und Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 11.12.2013, Az. 20 U 5/13, zitiert nach juris, wonach § 112 AktG nicht einschlägig sein soll bei der Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers der zugleich Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ist, die Alleingesellschafterin der GmbH ist). Der Senat teilt insoweit die Argumentation der als herrschend zu bezeichnenden Auffassung, dass die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft allein ein Organakt dieser Untergesellschaft ist und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin. Dabei geht es nicht um die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorständen – wie von § 122 AktG vorausgesetzt -, mithin nicht um ein Rechtsgeschäft oder eine Rechtshandlung der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, sondern um eine Handlung der Aktiengesellschaft als oberstes Gesellschaftsorgan einer GmbH, mit der durch die Bestellung von Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft zu Geschäftsführern der GmbH ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und den berufenen Geschäftsführern begründet werden. In diesem Zusammenhang weist etwa Cramer (NZG 2012, 765 ff, zitiert nach beck-online, mwN) zu Recht darauf hin, dass die Bestellung eines Geschäftsführers in der Tochtergesellschaft ein Rechtsgeschäft gegenüber einem Dritten darstellt, weil Adressat des Gesellschafterbeschlusses nicht das Vorstandsmitglied ist, sondern die Tochter-GmbH ist.

Eine über dieses maßgeblich am Wortlaut orientiertes Verständnis von § 112 AktG hinausgehendes Verständnis ist auch nicht etwa im Hinblick darauf angezeigt, dass ein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft bei der Beschlussfassung über seine eigene Bestellung als Geschäftsführer einer Tochter-GmbH auch nach Ansicht des Senats einem potentiellen Interessenkonflikt unterliegt, etwa weil er sich dabei der Kontrolle des Aufsichtsrats entziehen könnte, weil Geschäfte der Tochter-GmbH mit dem Vorstandsmitglied von § 112 AktG nicht mehr erfasst werden, oder etwa auch die Festsetzung der Bezüge des Vorstands durch den Aufsichtsrat (§ 87 AktG) relativiert werden kann, weil dann der Vorstand als Organvertreter der Aktiengesellschaft über sein Gehalt als Geschäftsführer der Tochter-GmbH praktisch selbst entscheiden kann (vgl. hierzu etwa Hopt/Roth, aaO, Rn. 71; Cramer, aaO). Diesem Interessenkonflikt, der auf der Ebene des Verhältnisses von Vorstand und der von ihm vertretenen Mutter-AG liegt, wird vielmehr innerhalb einer Anwendung von § 181 1. Alt. BGB auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation ausreichend begegnet.

  1. Somit bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, welche Rechtsfolge ein etwaiger Verstoß gegen § 112 AktG nach sich ziehen würde. Insoweit wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass ein solcher Verstoß die Nichtigkeit der entsprechenden Geschäfte nach § 134 BGB nach sich ziehe – mit der Folge, dass das Registergericht die von ihm angeforderte Vorlage einer Genehmigung durch den Aufsichtsrat samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall bei Anwendung des § 112 AktG nicht hätte verlangen können. Nach anderer Auffassung wird vertreten, dass das entsprechende Rechtsgeschäft in analoger Anwendung der §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam sei (vgl. zum Streitstand etwa Drygala, aaO, Rn. 26). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zuletzt ausdrücklich offengelassen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2019, Az. II ZR 392/17, zitiert nach juris).
  2. Trotz Nichtanwendbarkeit von § 112 AktG verlangt das Registergericht im Ergebnis zu Recht eine Genehmigung des Aufsichtsrats der Alleingesellschafterin für den Geschäftsführerbestellungsbeschluss vom 05.12.2019. Soweit das Registergericht allerdings darüber hinaus eine ´Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall´ verlangt, kann das Registergericht Derartiges nicht verlangen; insoweit ist die Beschwerde also teilweise erfolgreich.
  3. Wie bereits unter II. 1. a.(aE) dieses Senatsbeschlusses angedeutet, ist die bei einer Selbstbestellung von Vorständen einer Mutter-AG zu Geschäftsführern einer Tochter-GmbH bestehende Konfliktlage innerhalb einer Anwendung von § 181 1. Alt. BGB zu begegnen.

Es entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, dass § 181 1. Alt. BGB jedenfalls entsprechend heranzuziehen ist, wenn der Vertreter eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung einer GmbH sich mit den Stimmen der von ihm vertretenen Person selbst zum Geschäftsführer bestellt, da in diesem Fall in seiner Person ein Interessenkonflikt vorliegt, wie in § 181 1. Alt. BGB zum Gegenstand hat. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass verschiedene und damit möglicherweise einander entgegenstehende Interessen durch ein und dieselbe Person vertreten werden, solange dies nicht durch Gesetz oder Vollmacht gestattet ist, weil ansonsten stets die Gefahr der Schädigung eines Teils besteht (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.1968, Az. II ZR 57/67, zitiert nach juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, aaO; dessen Anwendbarkeit wohl voraussetzend auch Oberlandesgericht München, aaO; Hopt/Roth, aaO, Rn, 72; Spindler, aaO, Rn. 28 unter Aufgabe seiner bisherigen Ansicht, mit einer Vielzahl weiterer Nachweise; Mertens/Cahn, aaO; Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 181, Rn. 37, zitiert nach beck-online, mit dem Hinweis darauf, dass ein derartiger Beschluss regelmäßig zu einem Interessenkonflikt zwischen Vertreter und Vertretenem führt; Weinland in jurisPK-BGB, Stand 11.10.2021, § 181, Rn. 23, Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 6, Rn. 38; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff, § 47 GmbHG, Rn. 181, jeweils zitiert nach juris; Noack in Noack/Servatius/Hass, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 47, Rn. 60, zitiert nach beck-online; Götze, GmbHR 2001, 217 ff; Cramer, aaO; a.A. etwa Ziemons/Binnewies, aaO, Der Vorstand, Rn. 8.675 allerdings mit zweifelhafter Fußnotenangabe; Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 47 Rn. 64, zitiert nach beck-online, der hier ausschließlich auf § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG abstellen will). Soweit das Oberlandesgericht Nürnberg (Beschluss vom 12.04.2018, Az. 12 W 669/18, zitiert nach juris) für den Fall einer Mitbeschlussfassung durch eine Mutter von minderjährigen Mitgesellschaftern zur Bestellung eines anderen Gesellschafters zum Geschäftsführer einer GmbH unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.09.1990 (Az. II ZR 167/89, zitiert nach juris) die Auffassung vertreten hat, dass § 181 BGB in diesem Fall nicht anwendbar sei, weil es sich bei der Geschäftsführerbestellung nicht um eine Satzungsänderung handele, diese auch nicht in das Verhältnis der Gesellschafter untereinander eingreife und der Bundesgerichtshof (aaO) entscheidend nicht nur auf die bloße Geschäftsführerbestellung, sondern auch auf den sie umsetzenden Anstellungsvertrag zur Anwendung von § 181 BGB abgestellt habe, um das von diesem bejahte Grundlagengeschäft als Voraussetzung dafür zu bejahen, dass § 181 BGB anzuwenden wäre, folgt der Senat dieser Ansicht jedenfalls für die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht. Zum einen stellte sich in der Sachverhaltskonstellation des Oberlandesgerichts Nürnberg schon nicht – der vorliegenden Sachverhaltskonstellation dann gegebenenfalls vergleichbar – die Frage, ob sich die Mutter der minderjährigen Gesellschafter auch selbst mit den Stimmen der von ihr vertretenen Minderjährigen zur Geschäftsführerin hätte bestellen können. Zum anderen kann der Senat auch nicht erkennen, dass der Bundesgerichtshof in der vom Oberlandesgericht Nürnberg in Bezug genommenen Entscheidung grundsätzlich die Anwendung von § 181 BGB davon abhängig machen will, dass nicht nur ein entsprechender Gesellschafterbeschluss über die Geschäftsführerbestellung gefasst wird, sondern auch zwingend ein diese Beschlussfassung umsetzender Anstellungsvertrag geschlossen worden sein muss. So lautet der diesem Urteil des Bundesgerichtshofs, dem die Bestellung eines Geschäftsführers bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugrunde lag, bei juris vorangestellte Leitsatz auch nur: ´§ 181 BGB findet Anwendung, wenn sich ein Gesellschafter, der von anderen Gesellschaftern zu ihrer Vertretung in Gesellschafterversammlungen bevollmächtigt ist, mit den Stimmen seiner Vollmachtgeber zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt´. Davon abgesehen, dürfte im Übrigen von dem entsprechenden Abschluss eines derartigen Anstellungsvertrags bei lebensnaher Auslegung in allen Fällen einer Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auszugehen sein.“

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Jörg Hahn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: erfurt@etl-rechtsanwaelte.de


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