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Differenzen in der Rechtsprechung bei Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Leiharbeit im Klinikbereich

Differenzen in der Rechtsprechung bei Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Leiharbeit im Klinikbereich
Aktuelles
18.03.2020

Differenzen in der Rechtsprechung bei Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Leiharbeit im Klinikbereich

Der Verwaltungsgerichtshof München hat mit einem rechtskräftigem Beschluss vom 21.05.2019 – 17 P 17.1115 – das Mitbestimmungsrecht eines Personalrates bezüglich aller Mitarbeiter einer Service GmbH, die im Patientenbegleitdienst eingesetzt sind, abgelehnt, da diese nicht in die Sozialstiftung eingegliedert seien.

Der Fall

Eine Sozialstiftung des öffentlichen Rechts betreibt mehrere Kliniken und Zentren für Patienten und Senioren. Den Patiententransport- und Begleitdienst übernimmt eine Service GmbH, gesellschaftsrechtlich eine Tochter der Sozialstiftung. Die Service GmbH verfügt über eigene Arbeitnehmer, setzt jedoch auch Arbeitnehmer der Sozialstiftung ein.

Zwischen der Sozialstiftung und der Service GmbH besteht ein Dienstleistungsvertrag Patientenbegleitdienst.   

Der Personalrat der Sozialstiftung ist der Auffassung, dass ihm bezüglich aller Mitarbeiter der Service GmbH, die im Patientenbegleitdienst eingesetzt sind, jedenfalls aber bezüglich der Mitarbeiter, die der GmbH seitens der Sozialstiftung gestellt werden, ein Mitbestimmungsrecht.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs sind die Mitarbeiter der Service GmbH nicht in die Sozialstiftung eingegliedert. Hinsichtlich der Kriterien einer Eingliederung, die zu einer Dienststellenzugehörigkeit führen würde, überträgt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die zum Betriebsverfassungsrecht ergangene Rechtsprechung des BAG auf das Personalvertretungsrecht. Maßgeblich sei demnach, ob die Beschäftigten der Service GmbH innerhalb der Arbeitsorganisation der Sozialstiftung nach Weisung des Leiters dieser Dienststelle an der Erfüllung der Aufgaben der Sozialstiftung mitwirkten. Die Eingliederung ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs geprägt durch das Weisungsrecht der Dienststelle und der mit ihr korrespondierenden Weisungsgebundenheit des Beschäftigten.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Arbeitnehmer einer Drittfirma aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages in einem Betrieb beschäftigt seien. Entscheidend sei, wer die Personalhoheit über diese Beschäftigten habe, der Dienstberechtigte (hier also die Sozialstiftung) oder der Dienstverpflichtete (hier also die Service GmbH). Der Dienstberechtigte verfüge dann über die Personalhoheit, wenn er und nicht der Dienstverpflichtete hinsichtlich der Fremdarbeitnehmer die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen (auch in Bezug auf Zeit und Ort der Arbeitsleistung) treffe.

Irrelevant sei dabei, ob und ggf. von wem diesen Personen im Einzelfall tatsächlich Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit gegeben werden.

Die geschilderten Kriterien der Eingliederung unter besonderer Berücksichtigung der Weisungsbefugnisse seien im Wesentlichen auch für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG maßgeblich. Auf das dort entwickelte Kriterium des tatsächlichen Geschäftsinhalts könne deshalb auch für die Frage zurückgegriffen werden, ob eine Eingliederung im personalvertretungsrechtlichen Sinn vorliege. Widerspreche die tatsächliche Durchführung des Vertrages der ausdrücklichen Vereinbarung der Vertragsparteien, sei Ersterer maßgeblich. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung könnten einen vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalt nur belegen, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handele. Im vorliegenden Fall spreche der Wortlaut der Vereinbarungen zwischen der Sozialstiftung und der Service GmbH gegen eine Eingliederung. Der bloße Umstand, dass die Arbeitnehmer der Service GmbH Patienten der Sozialstiftung in deren Räumlichkeiten transportieren, begründe keine Eingliederung. Dasselbe gelte für den Umstand, dass die Arbeitnehmer der Service GmbH technische Geräte (wie Bettenfahrgeräte und Rollstühle) benutzten, welche die Sozialstiftung zur Verfügung stelle. Mit der Stellung dieser Gerätschaften erfülle die Sozialstiftung lediglich ihre vertragliche Pflicht, die notwendigen organisatorischen Maßnahmen für eine Vertragserfüllung zu schaffen. Ebenso sei es ohne Belang, dass im Patientenbegleitdienst Arbeitnehmer der Sozialstiftung mit Arbeitnehmern der Service GmbH räumlich zusammenarbeiteten. Dies gelte unabhängig davon, ob äußere Umstände eine derartige Zusammenarbeit notwendig machten. Auch ein etwaiges Anlernen von Mitarbeitern der Service GmbH durch Mitarbeiter der Sozialstiftung bewirke keine Eingliederung. Selbst der Umstand, dass die im Patientenbegleitdienst eingesetzten Arbeitnehmer der Service GmbH in den Genuss derselben Vergünstigungen kommen wie die Mitarbeiter der Sozialstiftung (etwa Vergünstigungen beim Parken und Jobticket) bewirke keine Eingliederung.

Entscheidend sei demgegenüber, dass es gemäß den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Sozialstiftung und Service GmbH der Service GmbH überlassen bleibe, die erforderlichen Arbeitnehmer in ausreichendem Maß bereitzustellen. Dabei sei ausdrücklich vertraglich festgehalten, dass ein Anspruch der Sozialstiftung auf die Erbringung von Leistungen durch eine bestimmte Arbeitskraft nicht bestehe. Zudem sei gemäß den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung in der Sozialstiftung vor Ort ein Disponent der Service GmbH anwesend, der dort den Einsatz ihrer Mitarbeiter steuere. Dies spreche entscheidend gegen eine Personalhoheit der Sozialstiftung.

Nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs führe selbst der Umstand, dass die im Bereich der Notaufnahme tätigen Mitarbeiter der Service GmbH dort ausnahmsweise Weisungen von Mitarbeitern der Sozialstiftung unterlägen, nicht zu einer Eingliederung in die Sozialstiftung. Dabei handele es sich nämlich nur um einen untypischen Bereich, der als solcher nicht den Schluss auf eine Eingliederung insgesamt rechtfertige.

Ergänzende Hinweise

Die Argumentation des VGH München steht in einem nicht zu übersehenden Widerspruch zum argumentativen Vorgehen des Bundessozialgerichts im Zusammenhang mit der Thematik der sog. Honorarärzte.

Das BSG hat in seiner Leitentscheidung zu Honorarärzten jedoch darauf hingewiesen, dass es auf die Einordnung von Honorarverträgen durch die Arbeitsgerichte nicht ankomme, da ein vollständiger Gleichklang zwischen dem Arbeitnehmer- und dem Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht bestehe und dabei in den Vordergrund gestellt, dass das Arbeitsrecht der Privatautonomie der Vertragsparteien eine besondere Bedeutung beimesse, während die Regelungen der Sozialversicherung jedenfalls auch dem Schutz der Pflichtversicherungssysteme dienten.

Für die Klinikbetreiber und Serviceunternehmen wird es immer schwieriger, den Klinikbetrieb rechtskonform auszugestalten. Ohne qualifizierte Betreuung durch spezialisierte Rechtsberatung scheint dies inzwischen unmöglich zu sein.

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Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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