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Kein Vergütungsanspruch nach Ausspruch eines Verbots gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG alter Fassung

Arbeitsunfähigkeit irrelevant (sog. „Monokausalität“)
Kein Vergütungsanspruch nach Ausspruch eines Verbots gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG alter Fassung
Aktuelles
13.12.2023

Kein Vergütungsanspruch nach Ausspruch eines Verbots gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG alter Fassung

Arbeitsunfähigkeit irrelevant (sog. „Monokausalität“)

Das Landearbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat zu § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG alter Fassung wie folgt entschieden (LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.08.2023 – 12 Sa 268/23 [aus den Entscheidungsgründen]):

„Der Klägerin stand aufgrund der Ordnungsverfügung des Gesundheitsamtes der Stadt Essen vom 06.09.2022 jedenfalls ab dem 10.09.2022 unabhängig von ihrer Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Arbeitsvergütung zu.

(…) Mit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 hat das Gesundheitsamt der Stadt Essen gegenüber der Klägerin gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ein Verbot erlassen, mit welchem dieser ab sofort die Tätigkeit in der Einrichtung/dem Unternehmen der Beklagten sowie das Betreten der Einrichtung/des Unternehmens der Beklagten zum Zwecke der Verrichtung der Tätigkeit untersagt wurde. Aufgrund dieses behördlichen Tätigkeits- und Betretungsverbots war es der Klägerin für die Zeitdauer des Verbots objektiv unmöglich ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester bei der Beklagten zu erbringen. Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs. Der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt zugleich nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht. Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet damit auch auf Arbeitsverträge Anwendung. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat (BAG 19.08.2015 – 5 AZR 975/13, juris Rn. 25 f.). Von der Anwendung des § 326 Abs. 1, 2 BGB bei der Anordnung eines Tätigkeits- und Betretungsverbots i.S.v. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG und einem grundsätzlichen Entfall der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers geht auch der Gesetzgeber aus (BT-Drs. 20/188 S. 42; s.a. BVerfG 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, juris Rn. 259). Für die Kammer besteht kein Grund, die Rechtslage insoweit anders zu bewerten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das gegenüber der Klägerin ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot zu verantworten hätte, sind nicht ersichtlich.

(…) Das der Klägerin gegenüber seitens des Gesundheitsamtes der Stadt Essen mit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 ausgesprochene Tätigkeits- und Betretungsverbot hatte die erkennende Kammer zu Grunde zu legen, weil es auf einem bestandskräftigen und von der Klägerin nicht angegriffenen Verwaltungsakt beruht. An einen bestandskräftigen Verwaltungsakt sind die Arbeitsgerichte gebunden. Seine Wirksamkeit hätte – ausgenommen den Fall der Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 VwVfG NRW i.V.m. § 44 VwVfG NRW) – nur in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nachgeprüft werden können (BAG 20.01.2005 – 2 AZR 500/03, juris Rn. 12). Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 Bestehen nicht. Insbesondere ist die der Ordnungsverfügung letztlich zu Grunde liegende Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG in den hier maßgeblichen Fassungen bis zum 16.09.2022 und vom 17.09.2022 bis zum 31.12.2022 nicht offenkundig verfassungswidrig, so dass ein ausgesprochenes Tätigkeits- und Betretungsverbot letztlich offenkundig ohne wirksame Grundlage ergangen wäre. Vielmehr ist die vom Gesetzgeber in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG normierte Tätigkeitsvoraussetzung für die Einrichtung eines Krankenhauses und die Tätigkeit einer Krankenschwester verfassungsgemäß. Die erkennende Kammer hat dies in anderem Zusammenhang (Urteil vom 19.04.2023 – 12 Sa 621/22, juris Rn. 96 ff.) wie folgt begründet:

(…) ´Entgegen der Ansicht der Klägerin beruht die hier angenommene Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung durch die Beklagte auf einer verfassungsmäßigen Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 IfSG. Die erkennende Kammer hat dabei insbesondere auch die von der Klägerin aufgezeigten Aspekte in Bezug auf die Omikron-Variante berücksichtigt. Diese ändern an dem Ergebnis nichts. Die Kammer folgt dabei im Wesentlichen den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Beschluss vom 23.12.2022 (13 B 1256/22, juris). Im Einzelnen gilt insbesondere Folgendes:

(…) Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung aus, die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose, die verfügbaren Impfstoffe würden auch gegenüber der Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 eine noch relevante Schutzwirkung entfalten, sei durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes ausweislich der Stellungnahmen der im dortigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht durchgreifend erschüttert worden. Dies gelte insbesondere auch für die gesetzgeberische Prognose, die verfügbaren Impfstoffe könnten vor einer Infektion schützen und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen. Die zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften bezifferten eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber ´der Omikron-Variante´ des Coronavirus SARS-CoV-2 – vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten – bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70 %; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8 % beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Vor diesem Hintergrund sei weiterhin davon auszugehen, dass eine Impfung jedenfalls einen relevanten – wenn auch mit der Zeit abnehmenden – Schutz vor einer Infektion auch mit der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus biete. Dabei sei auch nicht erkennbar, dass die Impfwirksamkeit so sehr reduziert wäre, dass die Verwirklichung des mit dem angegriffenen Gesetz verfolgten Zwecks des Schutzes vulnerabler Menschen nur noch in einem derart geringen Maße gefördert würde, dass im Rahmen der Abwägung den widerstreitenden Interessen der von der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht Betroffenen von Verfassungs wegen der Vorrang gebühren müsste.´ (so OVG Münster 16.09.2022 – 13 B 869/22, juris Rn. 8 ff.; OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 9). Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

(…) Soweit die Klägerin einwendet, dass diese Annahmen aus April 2022 mit dem Vordringen der Omikron-Variante nicht mehr zutreffen, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Hierzu stellt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 20) zunächst auf die Darstellung des nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufenen Robert Koch-Instituts zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe ab. Nach dessen Erkenntnissen bieten die Covid-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) sowie der Vektor-Impfstoff JCOVDEN (Johnson & Johnson) vor der Omikron-Variante weniger Schutz als vor der sog. Delta-Variante, die das Infektionsgeschehen in Deutschland zuvor dominiert hatte. Die Studienergebnisse zeigten, dass die Wirksamkeit nach zwei Impfstoffdosen (Grundimmunisierung) gegenüber jeglicher oder symptomatischer Erkrankung durch die Omikron-Variante insgesamt gering sei und zudem mit der Zeit deutlich nachlasse. Durch eine Auffrischimpfung könne die Schutzwirkung verbessert werden. Gegen schwere Erkrankungen biete die Impfung weiterhin einen guten Schutz. Die Datenlage deute darauf hin, dass auch hier die Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung abfalle, jedoch weniger stark als im Vergleich zu jeglichen bzw. symptomatischen Erkrankungen. Nach einer Auffrischimpfung sei die Wirksamkeit gegenüber schweren Erkrankungen erneut hoch. Daten wiesen auch nach Auffrischimpfung auf einen nachlassenden Schutz vor (symptomatischer) Infektion über die Zeit hin. Die hohe Schutzwirkung gegenüber schweren Infektionen bleibe aber mindestens über sechs bis neun Monate nach der Auffrischimpfung bestehen. Über die Transmission, das heißt die Virusübertragung, unter Omikron gebe es – worauf auch die Klägerin abstellt – bisher keine ausreichenden Daten; sie scheine bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten indes, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6 bis 21 % nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5 bis 20 % reduziere.

Bestehen danach weiterhin Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos, werden die bisherigen Annahmen des Gesetzgebers zu einer relevanten Schutzwirkung der Impfung gegenüber vulnerablen Personen nicht durchgreifend erschüttert. Soweit die Klägerin beanstandet, dass bei zweifach Geimpften, deren Impfung mehrere Monate zurückliegt, kein relevanter Impfschutz mehr besteht, übersieht sie, dass ab dem 01.10.2022 für einen vollständigen Impfschutz grundsätzlich drei Einzelimpfungen erfolgt sein müssen (vgl. OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 20). Im Ergebnis nichts Anderes folgt aus einer etwaigen Immunflucht bei den Omikron-Varianten BA.4 und BA.5. So geht etwa die Ständige Impfkommission in der 21. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 18.08.2022 davon aus, dass die COVID-19-Impfung nach wie vor dem Ziel dient, insbesondere in Umgebungen mit einem hohen Anteil vulnerabler Personen und/oder einem hohen Ausbruchspotenzial die Virustransmission zu vermindern, um so einen zusätzlichen Schutz zu bewirken (OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 28 ff.). Ohnehin geht es hier – was die streitigen Vergütungsansprüche betrifft – um einen Zeitraum bis zum 31.08.2022. Es genügt, wenn der Gesetzgeber auf etwaige Entwicklungen des Infektionsgeschehens reagiert und die gesetzlichen Regelungen anpasst. Dies ist erfolgt.

(…) Soweit die Klägerin wesentlich geltend macht, dass die Schutzimpfung gegen das Coronavirus keinen Drittschutz vermittle, folgt dem die erkennende Kammer ebenso wie das Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht. Es haben sich durch den Einsatz der Impfung Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos gezeigt, die die Annahme des Gesetzgebers, dass die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht in relevantem Maße vulnerable Personen vor einer Ansteckung schützen könne, ausreichend tragen. Dies ist weiterhin so. So verweist das Robert Koch-Institut auf Monitoring des COVID-Impfgeschehens in Deutschland – Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022, in dem es ausgeführt hatte, die Impfeffektivität der 1. Auffrischungsimpfung im Sinne eines Schutzes vor einer Infektion (asymptomatisch oder symptomatisch) liege bei 34%-66% (mRNA-basierter Impfstoff) bzw. 38%-76% (jeglicher Impfstoff, nicht spezifiziert). Auch im Hinblick auf den zunehmenden Anteil der Untervariante BQ1.1. der BA5-Sublinie ist keine abweichende Beurteilung geboten. Zwar deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass diese Untervariante der Immunantwort von geimpften Personen oder solchen, die eine Infektion durchgemacht haben, besser entgehen kann als frühere Varianten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass § 20a IfSG bereits im hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr verhältnismäßig gewesen wäre, weil eine Anordnung von Tätigkeits- und Betretungsverboten nicht mehr geeignet wäre, den hiermit verfolgten Zweck, vulnerable Menschen in besonderem Maße vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen, zu erreichen. Noch am 22.12.2022 liege – so das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den wöchentlichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 22.12.2022, S. 26 – der Anteil dieser Variante bei über 21 %. Damit war selbst im Dezember 2022 das Infektionsgeschehen noch zum überwiegenden Teil von den anderen (Unter-)Varianten geprägt, die eine weniger starke Immunflucht aufweisen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die auf das Jahresende befristete einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums – offenbar auch mit Blick auf die Verbreitung der BQ1.1. Variante – nicht verlängert wurde. Hieraus folgt nicht, dass davon ausgegangen werden muss, diese bis zum 31.12.2022 nicht mehr rechtmäßig war. Vielmehr belegt dies, dass der Gesetzgeber Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelung beobachtet und diese (erst) mit Blick auf die sich abzeichnende Entwicklung des Infektionsgeschehens erst für den Zeitraum ab dem 01.01.2023 nicht mehr als notwendig erachtet (zutreffend und überzeugend OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 46 ff.).

(…) Ferner war der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gehalten, den Beschäftigten in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen statt der Pflicht zur Vorlage eines Immunitätsnachweises eine Pflicht, sich vor Betreten einer Einrichtung oder eines Unternehmens – und damit vor einem möglichen Kontakt mit einer vulnerablen Person – mit einem Schnelltest auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu testen, aufzuerlegen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, hierbei handele es sich schon um kein gleich geeignetes Mittel, weil diese Tests fehleranfällig seien, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt nach wie vor. Auch sonstige Verhaltensregeln, wie etwa das Abstandhalten, das Tragen einer (medizinischen) Schutzmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln, regelmäßiges Lüften oder das Einsetzen eines Luftfilters, sind nicht gleich wirksam. Es besteht schon das Risiko einer bewusst oder unbewusst fehlerhaften Anwendung, weshalb der Gesetzgeber auf hinreichend tragfähiger Grundlage nicht auf den Schutz verzichten musste, den eine COVID-19-Impfung oder Genesung jedenfalls grundsätzlich verspricht und von dem vulnerable Personen profitieren (OVG Münster 23.12.2022 – 13 B 1256/22, juris Rn. 88 f.).´

Daran hält die erkennende Kammer auch in diesem Fall fest, macht sich diese Begründung zu eigen und überträgt die Ausführungen auf den hier maßgeblichen Zeitraum. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022.

(…).

Die von der Klägerin gegen die Anwendung des Grundsatzes der Monokausalität in diesem Fall vorgebrachten Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.

(…) Der Umstand, dass die Klägerin bereits den ganzen Tag des 08.09.2022 arbeitsunfähig erkrankt war und die Zustellung der Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 am 08.09.2022 um 13.40 Uhr nach Beginn der Frühschicht erfolgte, ändert an dem Ergebnis nichts. Es bleibt dabei, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ab dem 10.09.2022 war. Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt ist für diesen Zeitraum bereits aufgrund einer anderer Ursache, nämlich dem gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Tätigkeits- und Betretungsverbot entfallen. Für den den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließenden Grundsatz der Monokausalität ist es unerheblich, dass die Arbeitsunfähigkeit zeitlich vor Wirksamwerden der genannten Verbote gegenüber der Klägerin begonnen hatte. Entscheidend ist nur das zeitliche Zusammentreffen beider Ursachen (vgl. z.B. BAG 23.02.2021 – 5 AZR 304/20, juris Rn. 21 und auch Rn. 5: Erkrankung aufgrund eines Arbeitsunfalls ab dem 07.02.2018 und anschließende Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.09.2018 im Verhältnis zu einem witterungsbedingten Arbeitsausfall vom 19.02.2018 bis 02.03.2018).

(…) Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung ab dem 08.09.2022 aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden konnte. Einer Sachaufklärung, ob dies bei der Diagnose ´gesicherte Anpassungsstörung´ im konkreten Fall so war, bedurfte es nicht. Selbst wenn die Klägerin aufgrund dieser Erkrankung ab dem 08.09.2022 nicht geimpft werden konnte, änderte dies an dem Ergebnis nichts.

(…) Es liegt kein Fall vor, in dem ein Beschäftigungsverbot den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht ausschließt. Dies ist dann der Fall, wenn das gesetzliche Beschäftigungsverbot seinerseits nur die Folge der Erkrankung ist, die ihrerseits auch Ursache der Arbeitsunfähigkeit ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht z.B. für die offene Tuberkolose anerkannt. Diese Erkrankung war der Grund für das Beschäftigungsverbot und die Arbeitsunfähigkeit. Das Beschäftigungsverbot ist dann kein weiterer Umstand, der – für sich allein gesehen – Grund für eine Arbeitsverhinderung sein könnte. Nur wenn ein Beschäftigungsverbot unabhängig von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit besteht oder angeordnet wird, kommt diesem Beschäftigungsverbot selbständige Bedeutung zu (BAG 26.04.1978 – 5 AZR 7/77, juris Rn. 11).

(…) So liegt der Fall hier nicht. Das Tätigkeits- und Betretungsverbot aus der Ordnungsverfügung vom 09.09.2022 hat entgegen der Ansicht der Klägerin und selbst wenn man unterstellt, dass sie sich krankheitsbedingt ab dem 08.09.2022 nicht impfen lassen konnte, nicht ihrerseits seine Ursache in der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Tätigkeits- und Betretungsverbot sind nicht ausgesprochen worden, weil die Klägerin an einer Erkrankung litt, die zugleich die Arbeitsunfähigkeit bedingte. Das Tätigkeits- und Betretungsverbot ist ausgesprochen worden, weil die Klägerin als Krankenschwester in einer Einrichtung gemäß § 20a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG tätig war und sie die Nachweise gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG weder der Beklagten noch dem Gesundheitsamt vorgelegt hatte. Es handelte sich dabei um den Nachweis über eine abgeschlossene Impfung (Nr. 1), einen Genesenennachweis (Nr. 2), einen Nachweis, dass sie sich im ersten Schwangerschaftsdrittel befindet (Nr. 3) oder ein ärztliches Attest darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (Nr. 4). Der Umstand einer gesundheitsbedingt nicht möglichen Impfung ist mithin ein Ausnahmetatbestand für die ab dem 15.03.2022 bis zum 31.12.2022 geltende Tätigkeitsvoraussetzung aus § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG. Sie kann deshalb schon von der Gesetzessystematik her kein Grund für die Anordnung des Beschäftigungsverbots sein. Das Gegenteil ist der Fall. Und selbst wenn die Klägerin sich tatsächlich aufgrund des ausgesprochenen Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbots hätte impfen lassen wollen und dies zunächst ab dem 08.09.2022 aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen wäre, änderte dies nichts. Dies liegt im konkreten Fall in ihrer eigenen Risikosphäre und führt nicht dazu, dass die Erkrankung zugleich die Arbeitsunfähigkeit und das Tätigkeits- und Betretungsverbot begründet. Die Anforderungen an die dem 15.03.2022 geltende Tätigkeitsvoraussetzung gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG waren spätestens seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes am 12.12.2021 bekannt. Der Gesetzgeber hat den betroffenen Berufsgruppen eine Übergangsfrist von rund drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 15.03.2022 gewährt, um sich auch bei fehlender Bereitschaft zur Impfung auf die beruflichen Folgen einzustellen (BVerfG 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, juris Rn. 262). Diese Möglichkeit hat die Klägerin nicht genutzt. Sie war jedenfalls seit dem 15.03.2022 nicht aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gehindert, sich impfen zu lassen. Sie hat von der Möglichkeit der Impfung auch nach der Aufforderung seitens des Gesundheitsamtes vom 30.05.2022, einen Nachweis gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen, keinen Gebrauch gemacht. Sie hat weder einen Impfnachweise noch einen Nachweis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann, vorgelegt. Wenn sie dann ab dem 08.09.2022 arbeitsunfähig erkrankte und ab diesem Zeitpunkt in einer geänderten Willenseinstellung nunmehr eine Impfung wollte, aber zunächst krankheitsbedingt nicht erhalten konnte, führt dies nicht zu einer Ausnahme vom Grundsatz der Monokausalität. Nicht die Erkrankung ab dem 08.09.2022 war die Ursache für das Tätigkeits- und Betretungsverbot, sondern der Umstand, dass die Klägerin entgegen der – wie ausgeführt – verfassungsrechtlich wirksamen Regelung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG nicht für die Erfüllung der Tätigkeitsvoraussetzungen in ihrer Person gesorgt hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin ausgeführt hat, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Beginn an Kritik ausgesetzt war und auch durch Äußerungen von Seiten der Politik unklar gewesen sei, wie lange diese überhaupt gilt bzw. jedenfalls im Herbst 2022 schon davon auszugehen gewesen sei, dass diese nicht verlängert wird, ändert dies nichts. Maßgeblich sind die gesetzlichen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Vorschriften.“

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Rüdiger Soltyszeck, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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