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Gilt die zivilrechtliche Sanktionierung von Steuerhinterziehungen auch außerhalb des SchwarzArbG?

Gilt die zivilrechtliche Sanktionierung von Steuerhinterziehungen auch außerhalb des SchwarzArbG?
Frage des Tages
28.03.2023

Gilt die zivilrechtliche Sanktionierung von Steuerhinterziehungen auch außerhalb des SchwarzArbG?

Siehe dazu OLG Hamm,  Urt. v. 06.02.2023 – 2 U 78/22 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Das Landgericht hat Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten unzutreffend bejaht; ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin folgt weder aus § 346 Abs. 1 BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB.

a)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung eines von ihr als Kaufpreis geleisteten Betrages aus § 346 Abs. 1 BGB, da kein Rückgewährschuldverhältnis besteht. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin – wie von ihr behauptet und vom Landgericht als bewiesen festgestellt – insgesamt 31.000 € an den Beklagten gezahlt hat.

Der Rückgewähranspruch scheitert bereits daran, dass der Kaufvertrag gemäß § 134 BGB nichtig ist. Voraussetzung eines Rücktritts vom Vertrag und damit für das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses ist stets das Vorliegen eines wirksam abgeschlossenen Vertrages. Bei Verträgen, die – wie hier – von Anfang an nicht wirksam zustande gekommen sind, erfolgt die Rückabwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts (vgl. MüKo/Gaier, 9. Auflage 2022, BGB § 346 Rn. 4).

Dies ist hier der Fall, da der Vertrag bereits nach dem Vorbringen der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen § 370 AO gemäß § 134 BGB nichtig ist.

(1)

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht eingeräumt, dass die Parteien im schriftlichen Kaufvertrag den Kaufpreis mit nur 5.000 € angegeben hätten, obwohl tatsächlich ein Kaufpreis in Höhe von 35.000 € vereinbart gewesen sei. Der weitere Betrag von 30.000 € habe – wie von Anfang an mit dem Beklagten abgesprochen – in bar ´an der Steuer vorbei´ gezahlt werden sollen.

Damit hat die Klägerin – auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat – einen Sachverhalt vorgetragen, der einen Verstoß gegen § 370 AO begründet. Denn die Parteien haben den Entschluss gefasst und umgesetzt, gegenüber der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben zu machen und dadurch Steuern zu verkürzen, indem sie einen Vertrag mit einem niedrigeren als dem tatsächlich geschuldeten und vereinbarten Kaufpreis in der Absicht unterzeichnet haben, diesen den Finanzbehörden vorzulegen (vgl. LG Münster, Urteil vom 21.11.2014 – 16 O 68/14, BeckRS 2015, 16696).

(2)

Der Verstoß gegen § 370 AO führt zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB.

Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Gesetz im Sinne des BGB ist gemäß Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm wie § 370 AO. Dabei bewirkt der Verstoß nicht nur die Nichtigkeit der Abrede betreffend den Kaufpreis, sondern vielmehr des gesamten Vertrages.

(aa)

Nach der gefestigten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen § 1 Abs. 2 SchwarzArbG genügt für die Annahme der Gesamtnichtigkeit gemäß § 134 BGB, dass beide Parteien gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. Hierfür reicht es im Hinblick auf die generalpräventive Funktion des Gesetzes aus, dass eine Vertragspartei gegen das Gesetz verstößt und die andere Vertragspartei dies zumindest erkennt und zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzt, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn auf Grund der Abrede ein reduzierter Preis gewährt wird (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, 1806).

(bb)

Davon, dass durch den Beklagten eine Reduzierung des Kaufpreises im Gegenzug für die Abrede, 30.000 € in bar an der ´Steuer vorbei´ zu zahlen, gewährt worden ist, ist vorliegend auszugehen. Denn dem Beklagten lagen für sein Sportstudio auch deutlich höhere Kaufangebote von zumindest zwei weiteren Interessenten vor, auf die er nicht eingegangen ist. Dieser Vortrag des Beklagten ist nicht nur unwidersprochen geblieben, sondern wird auch gestützt durch Schreiben der beiden weiteren Interessenten (Anlage B2 – Bl. 49 f. d.A.). Daraus ergibt sich, dass der Beklagte ursprünglich eine Kaufpreisvorstellung von 45.000 € hatte, die der eine Interessent auch zu zahlen bereit war, während der andere Interessent einen fünfprozentigen Abschlag vorgenommen und immerhin noch 42.750 € angeboten hatte.

(3)

Da verbotswidrige Vereinbarungen generell keinen Schutz verdienen (vgl. MüKo/Armbrüster, 9. Auflage 2021, § 134 Rn. 193), führt die Nichtigkeit des Vertrages gem. § 134 BGB dazu, dass den Parteien des verbotswidrig geschlossenen Vertrages weder Primär- noch Sekundäransprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, zustehen (vgl. Kaiser, NZA 2014, 784, 786.). Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen § 1 Abs. 2 SchwarzArbG soll derjenige, der bewusst gegen ein Verbotsgesetz verstößt, nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und damit veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, 1806). Der vollständige Ausschluss von wechselseitigen Ansprüchen habe dabei eine ´abschreckende´ Wirkung, die geeignet sei, die Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, 1807).

(4)

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen das Schwarzarbeitergesetz ist nach Ansicht des erkennenden Senats auf Grund der Vergleichbarkeit des zu entscheidenden Falls mit den Schwarzarbeiterfällen und der damit einhergehenden Problematik – insbesondere der Benachteiligung von Wettbewerbern – jedenfalls auf den hiesigen Fall übertragbar. Ob die von dem für das Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aufgestellten Rechtssätze unabhängig vom Einzelfall uneingeschränkt für den Bereich des Kaufrechts Anwendung finden, bedarf dabei keiner Entscheidung.

(aa)

In den letzten Jahren ist sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung ein härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung angegangen und durchgesetzt worden. Das geht einher mit einer Änderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Steuerhinterziehung, die zunehmend nicht mehr als sogenanntes Kavaliersdelikt begriffen wird, sondern als ernst zu nehmende Straftat, welcher deutlich entgegengetreten werden soll. Auch vorliegend haben die Parteien bewusst und kollusiv zusammengewirkt und wahrheitswidrig einen zu niedrigen Kaufpreis in die Urkunde eingetragen. Dies diente ausschließlich dem Zweck der Erlangung einer ungerechtfertigten Besteuerung. Handelten die Parteien – wie hier – vorsätzlich und kollusiv zu Lasten der Allgemeinheit und insbesondere auch zu Lasten der redlichen Wettbewerber, ist es aufgrund der dargelegten Entwicklung der Rechtsprechung und der Tendenzen des Gesetzgebers geboten, die Nichtigkeit eines solchen Vertrags anzunehmen (vgl. LG Münster – 16 O 68/14, BeckRS 2015, 16696; offengelassen in OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2015 – 22 U 166/14, NJW-RR 2016, 27 Rn. 26 ff.).

So hat auch der für das Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs einen Mietvertrag, bei dem die Parteien den Mietzins aus Gründen und zum Zwecke der Steuervermeidung in falscher Höhe in den schriftlichen Vertrag aufgenommen haben, als nichtig angesehen. Da die mündliche Abrede, eine inhaltlich falsche Vertragsurkunde herzustellen, einen Teil des ganzen Geschäfts bildete, könne der Vertrag gemäß § 139 BGB nur dann aufrechterhalten bleiben, wenn feststände, dass er auch ohne die nichtigen steuerlichen Absprachen zu denselben Bedingungen abgeschlossen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2003 – XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742).

(bb)

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn es kann – wie bereits dargestellt – nicht angenommen werden, dass der Beklagte angesichts der beiden anderen Angebote über rund 45.000 €, zu denen er das Sportstudio ebenfalls hätte verkaufen können, auf einen Kaufpreis von 35.000 € ohne die steuerverkürzende Abrede eingelassen hätte.

(5)

Die Behauptung des Beklagten, dass er ungeachtet der falschen Angabe des Kaufpreises in der Vertragsurkunde beabsichtigt habe, seinem Steuerberater den Erhalt des vollen Kaufpreises in Höhe von insgesamt 35.000 € mitzuteilen und damit die Finanzbehörden entgegen der ursprünglichen Absicht doch über die Einnahme in voller Höhe in Kenntnis zu setzen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Die Klägerin hat diesem Vorbringen ausdrücklich widersprochen und es sich nicht – auch nicht konkludent – hilfsweise zu eigen gemacht. Damit lässt es sich weder als Eventualvorbringen verstehen noch sind die Grundsätze des äquipollenten Parteivorbringens (vgl. dazu MüKo/Fritsche, 6. Auflage 2020, ZPO § 138 Rn. 11) anwendbar.

Aber selbst eine andere Beurteilung änderte nichts an der Nichtigkeit des Vertrages. Da der Vertrag – wie dargelegt – unter Verstoß gegen § 370 AO geschlossen wurde und daher gemäß § 134 BGB nichtig ist, kann nicht der nachträgliche Entschluss eines Vertragspartners, sich nunmehr doch gesetzmäßig zu verhalten, den Verstoß rückwirkend beseitigen. Eine solche Annahme liefe dem dargestellten Willen des Gesetzgebers evident zuwider, da in diesem Fall dem unredlich Handelnden die Möglichkeit eröffnet würde, planmäßig gesetzeswidrig zu handeln und im Falle von Störungen im Rahmen der Vertragsabwicklung die von Rechtsprechung und Gesetzgeber beabsichtigten Folgen – den Ausschluss jeglicher wechselseitiger Ansprüche – zu vermeiden. Der beabsichtigte Abschreckungseffekt (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, 1807) würde damit in erheblichem Maße abgeschwächt und seine Wirkung weitgehend verlieren.

(6)

Der Beklagte musste sich auch nicht auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen. Da es sich bei § 134 BGB um eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung handelt, ist es nicht erforderlich, dass eine der Parteien den Verstoß gegen das Verbotsgesetz ausdrücklich geltend macht (BGH, Urteil vom 23.01.1981 – I ZR 40/79, juris Rn. 24; Staudinger/Fischinger/Hengstberger, Neubearbeitung 2021, Updatestand 01.11.2022, BGB § 134 Rn. 166). Es ist vielmehr Aufgabe des Gerichts, den Parteivortrag zu würdigen und die richtigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen.

b)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 1 BGB.

Dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin steht § 817 Satz 2 BGB entgegen.“

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Autor(en)


Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: dresden@etl-rechtsanwaelte.de


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