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Unwirksame Vereinbarung über eine Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag

Unwirksame Vereinbarung über eine Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag
Aktuelles
01.06.2022

Unwirksame Vereinbarung über eine Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen hatte über eine Vertragsstrafeklauseln in einem vorformulierten Arbeitsvertrag zu entscheiden (LAG Sachsen, Urt. v. 24.01.2022 – 1 Sa 345/21 m. Anm. Buziek in DB 2022, 1072).

Dem Urteil lag unter anderem folgende Regelung in einem Arbeitsvertrag zugrunde:

㤠18 Vertragsstrafe bei Vertragsbruch

(1) Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung erhalten hätte, maximal jedoch ein Bruttomonatsgehalt.“

Zu dieser Regelung meint das erkennende LAG in den Entscheidungsgründen wörtlich:

„c) § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 ist jedoch aus mehreren anderen Gründen unwirksam.

aa) Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt sein, dass der Vertragspartner des Verwenders schon bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt. Eine Klausel verletzt das Transparenzgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume für die Interpretation eröffnet (…).

Den Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit entspricht die in § 18 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 getroffene Vertragsstrafenregelung nicht. Sie knüpft daran, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ löst. Damit lässt sie so weite Spielräume für Interpretationen, dass das Transparenzgebot verletzt ist.

(1) Die Formulierung ´schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist´ lässt sich so verstehen, dass damit nur das Lösen des Arbeitsverhältnisses durch unentschuldigtes Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit gemeint ist. Denn nur bei unentschuldigtem Fernbleiben löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ´ohne Rechtsgrund´. Eine Kündigung ist als Gestaltungserklärung dagegen stets ein ´Rechtsgrund´, der zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses führt. Zudem ist es nur bei einem unentschuldigten Fernbleiben des Arbeitnehmers möglich, die Tatbestandsvoraussetzungen der Klausel wie gefordert kumulativ zu erfüllen (schuldhaft ohne Rechtsgrund ´und´ ohne Einhaltung der Kündigungsfrist)

(2) Die Formulierung könnte auch so zu verstehen sein, dass sie die unberechtigte außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitnehmers i.S.d. § 626 BGB meint. Wer ohne wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB fristlos kündigt, handelt nach diesem Verständnis ´schuldhaft´, weil er die gesetzlichen Anforderungen an eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund verletzt.

(3) Will man die Klausel so verstehen, dass sie die ordentliche Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfasst, muss man sie über den Wortlaut hinaus auslegen. Ordentliche Kündigungen können nämlich nicht ´schuldhaft´ sein, weil sie keines gesetzlich normierten Kündigungsgrundes bedürfen. Dafür, dass die Klausel die unter Verletzung der Kündigungsfrist ausgesprochene ordentliche Kündigung erfassen soll, könnte allerdings die Rechtsfolgenregelung sprechen. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich zur Zahlung einer Vertragsstrafe „in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erhalten hätte“ verpflichtet sein. Ein Bezug zur Kündigungsfrist wird dadurch hergestellt.

bb) Die Klausel ist – selbständig tragend – auch deshalb unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Ungemessen ist nach der Rechtsprechung des BAG (…) jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch geldwerte Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt.

Diese Grundsätze verbieten eine einseitige Belastung des Arbeitnehmers durch Vertragsstrafenklauseln. Der Arbeitgeber mag ein anerkennenswertes Interesse daran haben, sich die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist durch eine Vertragsstrafenregelung zu sichern. Vor dem Hintergrund, dass der vollbeschäftigte Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hat der Arbeitnehmer indes ein nicht minder zu bewertendes Interesse an der pünktlichen Zahlung des Entgelts. Bei Würdigung dieser beiderseitigen und gleichwertigen Interessen erscheint es unbillig, wenn in einem Arbeitsvertrag nur die unentschuldigte Arbeitsversäumnis des Arbeitnehmers, nicht aber die zu Unrecht verspätete oder unvollständige Lohnzahlung mit einer Vertragsstrafe belegt ist (…). Dies führt zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung aus § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages aus dem Gesichtspunkt unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers.

Diese Wertung wird auch dadurch gestützt, dass der Arbeitsvertrag vom 17.12.2018 über die Klausel des § 18 Abs. 1 hinaus weitere den Kläger belastende Vertragsstrafenregelungen enthält. So wird eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalt für Nichtantritt (§ 2 Abs. 1), für Verstöße gegen verschiedene Wettbewerbsverbote (§ 9 Abs. 1 und § 11 Abs. 1) und für die Herausgabeverweigerung (§ 20 Abs. 1) geregelt. Der Beklagte unterliegt dagegen keiner einzigen Vertragsstrafenregelung. Diese Einseitigkeit der Strafbewehrung von Vertragspflichtverletzungen deutet auf die Absicht des Verwenders der Klauseln hin, die Rechtsposition des Arbeitnehmers weitgehend einzuschränken, was als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen ist.

cc) Die Unwirksamkeit des § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 lässt nach § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt. Die durch den Wegfall der Klausel entstehende Lücke kann dabei nicht durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Diese wäre nur denkbar, wenn der Wegfall der Klausel den Beklagten über Gebühr benachteiligen und den Kläger in einem Maße begünstigen würde, das durch seine schutzwürdigen Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist (…). Der Beklagte hat aber kein derart schutzwertes Interesse an der Aufrechterhaltung der Klausel mit einem transparenten, eindeutigen Inhalt. Dies folgt schon daraus, dass es der Beklagte als Verwender der Klausel selbst in der Hand gehabt hätte, für eine klare und zweifelsfrei verständliche Formulierung der Klausel zu sorgen.“

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Dr. Stefan Müller-Thele
Rechtsanwalt

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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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