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Zum Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Aktuelles
03.06.2023

Zum Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wie folgt entschieden (BGH, Urteil vom 14.03.2023 – II ZR 162/21):

„(…) Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft.

(…) Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.“

In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:

„(…) Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH darstellt.

(…) Der Bundesgerichtshof erstreckt in ständiger Rechtsprechung den Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323 f.; Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 193 f.; Urteil vom 10. Februar 1992 – II ZR 23/91, WM 1992, 691, 692 f.; Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 236/00, ZIP 2002, 984, 985; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 f.; Urteil vom 22. September 2020- II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 18).

(…) Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auch der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber der GmbH. Denn die Kommanditgesellschaft ist in den Schutzbereich des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen. Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann nämlich ein am Vertrag nicht beteiligter, aber von dessen Risiken mit betroffener Dritter berechtigt sein, gegen eine Vertragspartei Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutzpflicht geltend zu machen (BGH, Urteil vom 12. November 1979- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN). Die Annahme einer Schutzwirkung zu Gunsten Dritter setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hat. Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen. Die Einbeziehung Dritter muss schließlich dem Schutzpflichtigen bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN; Urteil vom 27. Februar 2020 – VII ZR 151/18, BGHZ 225, 23 Rn. 22; Urteil vom 9. Juli 2020 – IX ZR 289/19, ZIP 2020, 1720 Rn. 12, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.

(…) Die Kommanditgesellschaft kommt bestimmungsgemäß mit der Leistung des Geschäftsführers in Berührung, wenn eine Kommanditisten-GmbH die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führt, weil sich Fehlleistungen der Geschäftsführung zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft auswirken.

(…) Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führenden und an dieser beteiligten GmbH geht dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der GmbH & Co. KG im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt. Sie muss auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein. Vor allem aber haftet sie der Kommanditgesellschaft für Schäden aus der Verletzung der von ihr im Gesellschaftsvertrag übernommenen Geschäftsführungsaufgaben und muss sich dabei gemäß § 31 BGB analog Pflichtverletzungen ihres Geschäftsführers, dessen sie sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben bedient, zurechnen lassen (für die Komplementär-GmbH: BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18 mwN; Urteil vom 19. Dezember 2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 16; Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 38). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft ist; anderes zeigt auch die Revision nicht auf.

(…) Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes besteht nach Treu und Glauben ein Bedürfnis. Die Kommanditgesellschaft ist gegenüber der geschäftsführenden GmbH und deren Geschäftsführer schutzbedürftig, ohne dass es darauf ankommt, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder ihre Kommanditistin ist.

(…) Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft geht vor allem zu deren Lasten. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind daher auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH angewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18 mwN), unabhängig davon, ob diese die Geschäftsführung als Komplementärin oder als Kommanditistin ausübt.

(…) Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten haben regelmäßig keine Befugnisse, wie namentlich ein Weisungsrecht, um unmittelbar auf den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH einzuwirken (für die Komplementär-GmbH vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; Urteil vom 14. November 1994 – II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18). Dieses Ungleichgewicht wird noch dadurch verstärkt, dass die geschäftsführende GmbH in gewissen Grenzen auf (pfändbare) Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer verzichten oder ihn trotz Kenntnis eines pflichtwidrigen Verhaltens entlasten kann (für die Komplementär-GmbH: BGH, Urteil vom 12. November 1979- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; vgl. auch Urteil vom 14. November 1994- II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745 f.). Nur wenn der Kommanditgesellschaft aus dem Organ- und Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH ein eigener Anspruch gegen den Geschäftsführer zusteht, führt seine Entlastung durch die Gesellschafterversammlung der GmbH nicht zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 21 mwN). Dies gilt für die geschäftsführende Komplementär-GmbH und die geschäftsführende Kommanditisten-GmbH gleichermaßen.

(…) Die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft gegenüber der Kommanditisten-GmbH ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deswegen entscheidend herabgesetzt, weil deren Vollmacht widerruflich ist oder ein Widerspruchsrecht hinsichtlich der Geschäftsführung besteht.

Eine eventuelle Widerrufsmöglichkeit bzw. ein Widerspruchsrecht stünde, wovon auch die Revision ausgeht, lediglich dem Komplementär zu, dessen Interessen mit den schutzbedürftigen Interessen der Kommanditgesellschaft bzw. der übrigen Kommanditisten nicht deckungsgleich sein müssen. Hier waren die weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin, die ehemaligen Beklagten zu 1 und 3, zugleich die Geschäftsführer der Komplementärin, deren Alleingesellschafter zudem mittelbar der ehemalige Beklagte zu 1 war.

(…) Entgegen der Auffassung der Revision war das Interesse der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH an der Einbeziehung der Schuldnerin in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zum Beklagten für diesen als Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH erkennbar und ihm die Erstreckung der Schutzwirkung auf die Schuldnerin zumutbar, auch wenn die GmbH die Geschäfte in weiteren Fondsgesellschaften geführt hat und daher die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe war.

(…) Der Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob der Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft auch dann nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet, wenn die Wahrnehmung der Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 – II ZR 23/91, WM 1992, 691, 693). In der Literatur wird im Einklang mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (ZIP 1984, 825, 833) und weiteren Entscheidungen des Berufungsgerichts (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 29. März 2018 – 11 U 174/16, juris Rn. 67) befürwortet, die Kommanditgesellschaft auch dann in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers mit der geschäftsführenden GmbH einzubeziehen, wenn die GmbH noch weitere wesentliche Aufgaben zu erfüllen hat (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 97; Blaum in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Stand: April 2022, § 55 Rn. 3218; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 57; MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86; Mussaeus in Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl., § 4 Rn. 56, 70; BeckOGK HGB/Notz/Zinger, Stand: 15.1.2021, § 161 Rn. 233; Uwe H. Schneider in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl., § 2 Rn. 2.61; Schnorbus in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 43 Rn. 139; Scholz/Verse, GmbHG, 13. Aufl., § 43 Rn. 445; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, 198; Mühlhaus/Wenzel, GmbH-StB 2014, 87, 92; Otte-Gräbener, BB 2022, 212; Schmitt, WuB 2022, 385, 388; Uwe H. Schneider, GmbHR 2017, 680, 681; Theiselmann, EWiR 2022, 172, 174; differenzierend Nietsch, GmbHR 2014, 348, 353 f.).

(2) Der Senat schließt sich dem an. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

(…) Entgegen der Auffassung der Revision bleibt die Haftungserstreckung auf die Kommanditgesellschaft für den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH auch dann erkennbar, wenn die GmbH, wie hier vom Berufungsgericht festgestellt, die Geschäfte in weiteren Gesellschaften führt. Am Pflichtenkreis des Geschäftsführers ändert sich durch Mehrfach-Geschäftsführungen im Grundsatz nichts; dieser hat sich bei Übernahme der Geschäftsführung über den Umfang der damit verbundenen Aufgaben einen Überblick zu verschaffen. Die Kommanditgesellschaft darf dabei darauf vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH bzw. deren Geschäftsführer ihr die geschuldete Obhut und Fürsorge unabhängig von der Anzahl weiterer übernommener Geschäftsführungen oder sonstiger gesellschaftsfremder Aufgaben entgegenbringt. Kann die geschäftsführende GmbH dies nicht gewährleisten, ist nicht der Haftungsumfang zu reduzieren. Vielmehr muss die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben auf das Maß begrenzen, das ihr die geschuldete ordnungsgemäße Erfüllung aller übernommenen Pflichten ermöglicht.

(…) Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die in mehreren Gesellschaften die Geschäftsführung übernommen hat, gegenüber der Kommanditgesellschaft ist nicht deswegen unzumutbar, weil es in der Person des Geschäftsführers zu einem Interessenkonflikt kommen könnte. Einer im Hinblick auf die Tätigkeit für mehrere Gesellschaften möglichen Pflichtenkollision kann im Einzelfall auf der Rechtfertigungs- oder Verschuldensebene Rechnung getragen werden (vgl. MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86; Nietsch, GmbHR 2014, 348, 353 f.). Die darüberhinausgehende Annahme eines abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften ist nicht geboten, zumal es zwischen den Gesellschaften nicht zwangsläufig wettbewerbsrechtliche Berührungspunkte geben muss.“

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Jörg Hahn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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