Zur Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 BGB
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat zu der nach § 613a Abs. 5 BGB gesetzlich angeordneten Unterrichtung eines Arbeitnehmers wie folgt entschieden (LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.07.2022 – 8 Sa 68/20 [aus den Entscheidungsgründen]):
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, etwa Urteile vom 28.02.2019 – 8 AZR 201/18, NZA 2019, 1279, Rdz. 43 f.; vom 26.03.2015 – 2 AZR 783/13, NZA 2015, 866, Rdz. 25 ff.; vom 10.11.2011 – 8 AZR 430710, juris, Rdz. 23 ff.; vom 22.01.2009 – 8 AZR 808/07, NZA 2009, 547, Rdz. 23 ff.; vom 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642, Rdz. 28 ff.), der sich die Kammer anschließt, lassen sich die einschlägigen Anforderungen an eine hinreichende Unterrichtung der Arbeitnehmer im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB wie folgt zusammenfassen:
a) Die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB in Lauf gesetzt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats ´nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5´ widersprechen kann. Damit setzt § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB eine den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprechende Unterrichtung voraus. Im Übrigen ergibt sich dies auch zwingend aus Sinn und Zweck der in § 613a Abs. 5 BGB geregelten Unterrichtungspflicht. Danach haben Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7760 S. 19). Dem Arbeitnehmer soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen und dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Ob eine erfolgte Unterrichtung den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Genügt die Unterrichtung zunächst formal den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere denen des § 613a Abs. 5 BGB und ist sie nicht offensichtlich fehlerhaft, so ist es Sache des Arbeitnehmers, der sich auf die Unzulänglichkeit der Unterrichtung beruft, einen behaupteten Mangel näher darzulegen. Hierzu ist er im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO verpflichtet. Dem bisherigen Arbeitgeber und/oder dem neuen Inhaber – je nachdem, wer die Unterrichtung vorgenommen hat – obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtungspflicht, indem mit entsprechenden Darlegungen und Beweisangeboten die Einwände des Arbeitnehmers entkräftet werden.
b) Gemäß § 613a BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Betriebsinhaber die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nicht nur in Textform über den Zeitpunkt des (Nr. 1) und den Grund für den Übergang (Nr. 2) zu unterrichten, sondern auch über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs (Nr. 3) und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (Nr. 4).
Zu den rechtlichen Folgen gehören zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert einen Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), auf die gesamtschuldnerische Haftung des Übernehmers und des Veräußerers und deren Verteilung nach § 613a Abs. 2 BGB und grundsätzlich auch, wenn sich Kündigungen abzeichnen, auf die kündigungsrechtliche Situation. Zu den beim Übernehmer geltenden Rechten und Pflichten gehört grundsätzlich weiter die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen abgelöst werden. Dabei ist aber keine detaillierte Bezeichnung einzelner Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nötig, da sich der Arbeitnehmer – nach Erhalt der in Textform zu erteilenden Informationen – selbst näher erkundigen kann. Notwendig ist aber ein Hinweis darauf, ob die Normen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortwirken. Dabei begegnet es keinen Bedenken, dass für die einzelnen Arbeitnehmergruppen (tarifgebundene Arbeitnehmer/nicht tarifgebundene Arbeitnehmer) nicht verschiedene Unterrichtungsschreiben gefertigt wurden, sondern mit einem einzigen Unterrichtungsschreiben alle Gruppen unterrichtet wurden. Die Unterrichtung kann in einem Standardschreiben erfolgen; sie muss jedoch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen.
Zu den wirtschaftlichen Folgen im Sinne des § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehören solche Veränderungen, die sich nicht als rechtliche Folge unmittelbar den Bestimmungen von § 613a Abs. 1-4 BGB entnehmen lassen. § 613a Abs. 5 BGB gebietet daher eine Information des Arbeitnehmers auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsübergangs – etwa darüber, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Erwerber zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer führen -, wenn darin ein relevantes Kriterium für einen möglichen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gesehen werden muss.
Zu den hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen gehören nach der Gesetzesbegründung Weiterbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit geplanten Produktionsumstellungen oder Umstrukturierungen und andere Maßnahmen, welche die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmer betreffen (vgl. BT-Drucks. 14/7760 S. 19). Unter Berücksichtigung der Zielsetzung von Art. 7 Abs. 1, Abs. 6 der RL 2001/23/EG sind ´Maßnahmen´ im Sinne von § 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB weitergehend alle durch den bisherigen oder neuen Betriebsinhaber geplanten erheblichen Änderungen der rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Situation der von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer. In Aussicht genommen sind Maßnahmen frühestens dann, wenn ein Stadium konkreter Planungen erreicht ist.
Die Hinweise auf die Rechtsfolgen müssen präzise sein und dürfen keinen juristischen Fehler enthalten, wobei nicht bereits dann ein solcher vorliegt, wenn es zu der Rechtsfrage auch andere Rechtsprechung oder Meinungen als die dargestellte herrschende Rechtsprechung, insbesondere die des Bundesarbeitsgerichts, gibt. Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist allerdings dann nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber dabei nach angemessener Prüfung der Rechtslage, die ggf. die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, eine rechtlich vertretbare Position einnimmt. Eine umfassende Rechtsberatung jedes einzelnen Arbeitnehmers kann nicht verlangt werden. Die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB dient nicht dazu, den Arbeitnehmer über alle ihn möglicherweise treffenden individuellen Folgen des Betriebsübergangs zu informieren. Sie soll ihn lediglich in die Lage versetzen, sich auf ihrer Grundlage ggf. weitergehend zu informieren oder beraten zu lassen. Es obliegt dem Arbeitnehmer, die Angaben des Arbeitgebers – und sei es nach weiteren Erkundigungen – in sein persönliches Arbeitsverhältnis umzusetzen.“