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Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe

Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe
Aktuelles
13.04.2024

Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat zu einem Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers gegenüber seinen Arbeitgeber entschieden (LAG Köln, Urt. v. 06.02.2024 – 4 Sa 390/23). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in der begehrten Höhe wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe für das Geschäftsjahr 2019 gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 283, 252 BGB iVm. § 4 des Arbeitsvertrags iVm. C III Abs. 1 BV.

(…) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, kann der Gläubiger nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Nach § 280 Abs. 3 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung allerdings nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 BGB, des § 282 BGB oder des § 283 BGB verlangen. Insoweit bestimmt § 283 Satz 1 BGB, dass der Gläubiger, sofern der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu leisten braucht, unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann.

(…) Die Beklagte war vorliegend aufgrund von C III Abs. 1 Satz 1 BV verpflichtet, dem Kläger bis zum 01.03.2019 eine mit ihm zuvor zu besprechende Zielvorgabe nach näherer Maßgabe von C III Abs. 1 Satz 2 bis Satz 5 BV zu machen.

(…) Das aus C III Abs. 1 BV folgende Pflichtenprogramm hat die Beklagte mit Blick auf die vorzugebenden Unternehmensziele in mehrfacher Hinsicht verletzt.

(…) Anders als Zielvereinbarungen werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt wird (BAG 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 37 mwN, BAGE 173, 269). Die Bestimmung der Leistung nach § 315 Abs. 1 BGB ist gegenüber dem anderen Vertragspartner zu erklären. Die Erklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit rechtsgestaltendem Charakter (BeckOGK/Netzer Stand 01.09.2022 BGB § 315 BGB Rn. 65 mwN).

(…) Eine Zielvorgabe hat die Beklagte dem Kläger bis zum 01.03.2019 unstreitig nicht erteilt. Dass die BV am 01.03.2019 noch nicht abgeschlossen war, sondern erst am 12.03.2019 abgeschlossen wurde und nach Maßgabe von F Abs. 1 Satz 1 BV rückwirkend zum 01.01.2019 die Vergütungsordnung regelt, ändert nichts an der Wirksamkeit der aus ihr folgenden Verpflichtung zur Erteilung der Zielvorgabe, § 311a Abs. 1 BGB.

(…) Die Beklagte hat dem Kläger aber auch in der Folgezeit keine Zielvorgabe gemacht, die sie zuvor mit ihm besprochen hätte, wie es C III Abs. 1 Satz 1 BV vorsieht. Eine solche vorherige Besprechung behauptet die Beklagte noch nicht einmal.

(…) Ungeachtet der nicht erfolgten vorherigen Besprechung hat die Beklagte eine zeitnahe Zielvorgabe generell nicht getroffen.

(…) Soweit die Beklagte behauptet, dass dem Kläger die Umsatz- und E-Ziele im Rahmen einer Präsentation am 26.03.2019 sowie im Heads Meeting am 16.04.2019 mitgeteilt worden seien, folgt daraus keine ordnungsgemäße Zielvorgabe nach C III Abs. 1 Satz 1 BV im Hinblick auf die Unternehmensziele. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass allein aus der Mitteilung dieser Ziele nicht erkennbar ist, inwiefern diese als Zielvorgabe für die variable Vergütung des Klägers von Relevanz sein sollten. Weder eine Gewichtung der Ziele noch ein Zielkorridor wurden dem Kläger vorgegeben.

(…) Überdies spricht die E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 26.09.2019 deutlich dagegen, dass die für die variable Vergütung der Mitarbeiter mit Führungsverantwortung maßgeblichen unternehmensbezogenen Parameter im März oder April 2019 schon feststanden und somit überhaupt vorgegeben werden konnten. Der Geschäftsführer führt in der E-Mail vom 26.09.2019 aus, dass die Rahmenbedingungen für das diesjährige MBO, also bezüglich der Zielvorgabe für die variable Vergütung, ´Ende September 2019´ ´final´ sei; man habe ´jetzt´ die Parameter ´Umsatz, E und Individuelles Ziel für alle 142%´ definiert. Der Inhalt der E-Mail ist nur so erklärlich, dass es vor Ende September gerade noch keine finale Zielvorgabe gab, die man dem Kläger hätte machen können.

(…) Selbst, wenn man unterstellen wollte, die unternehmensbezogenen Parameter der Zielvorgabe für 2019 seien bereits im März/April 2019 von der Beklagten getroffen worden, hätte sie diese gegenüber dem Kläger nicht erklärt. Darauf, ob der Kläger aus den Begleitumständen schließen konnte, dass für ihn eine jeweils hälftige Gewichtung von E-Ziel und Umsatzziel mit jeweils 35 % für seine variable Vergütung maßgeblich sein sollten, kommt es nicht an, da diese nicht die Qualität von (zumindest konkludenten) Willenserklärungen im Hinblick auf die Zielvorgaben für 2019 haben und sie einen entsprechenden Rückschluss auch sonst nicht zulassen.

(…) Aus den Zielvorgaben der Vorjahre konnte der Kläger nicht darauf schließen, dass diese beiden Kenngrößen mit jeweils hälftigem Anteil für seine Zielvorgabe maßgeblich sein sollten, denn die Zielvorgaben der Vorjahre waren nicht einheitlich. So war im Jahr 2017 als Unternehmensziel lediglich ein E-Ziel – kein Umsatzziel – mit einer Gewichtung von 20 % der Gesamtzielbewertung vorgegeben; 2018 setzte die Beklagte das Unternehmensziel für den Kläger mit 60 % der Gesamtzielbewertung an, wobei je 30 % auf EBITDA-Ziel und Umsatzziel verteilt waren.

(…) Aus dem Umstand, dass sich der Company-Bonus für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung gemäß B II Abs. 2 BV aus einer hälftigen Komponente, die sich nach der Erreichung des E-Unternehmensziels richtet, sowie einer hälftigen Komponente, die sich nach der Erreichung des Umsatz-Unternehmensziels richtet, zusammensetzt, folgt nicht, dass dies auch für die variable Vergütung der Mitarbeiter mit Führungsverantwortung nach C III BV gelten würde. Dort wurde eine Festlegung bestimmter einzelner Komponenten – sowohl nach dem Gegenstand als auch nach der Gewichtung – gerade nicht vorgenommen.

(…) Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu vertreten. Was einer entsprechenden einseitigen Festsetzung der Ziele entgegengestanden haben sollte, ist nicht ersichtlich.

(…) Nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm. § 283 BGB kann der Kläger von der Beklagten Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch eingetreten ist, dass die Beklagte die Ziele schuldhaft nicht einseitig festgesetzt hat.“

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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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Rüdiger Soltyszeck, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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