Coronavirus und Baurecht - Fragen und Antworten
Vorauszuschicken ist an dieser Stelle, dass die derzeitige Situation im Zusammenhang mit der Epidemie zum Covid-19 auch im Baurecht neue Fragestellungen aufwirft. Recht sprechen zu dieser Thematik gibt es derzeit noch nicht und ist auch in den nächsten Wochen nicht zu erwarten. Die Beantwortung der nachfolgenden Fragen erfolgt daher unter Einbeziehung der bislang allgemein geltenden Grundsätze.
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1. Kann der Auftraggeber aufgrund der Corona Krise einen abgeschlossenen Bauvertrag/ Auftrag kündigen?
Zunächst ist einmal davon auszugehen, dass dem Auftraggeber beim Bauvertrag jederzeit das Recht zusteht, den Vertrag zu kündigen. Die Frage ist nur, welche Rechtsfolgen sich aus der Kündigung ergeben. Bei der so genannten freien Kündigung steht dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Dies gilt sowohl für den BGB-Vertrag als auch für den VOB-Vertrag.
Der Vergütungsanspruch würde nur dann entfallen, wenn dem Auftraggeber ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen würde. Für den BGB Vertrag ist dies geregelt in § 648a BGB:
§ 648a Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
(2) Eine Teilkündigung ist möglich; sie muss sich auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks beziehen.
(3) § 314 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Nach der Kündigung kann jede Vertragspartei von der anderen verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt. Verweigert eine Vertragspartei die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder einem von der anderen Vertragspartei innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, trifft sie die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung. Dies gilt nicht, wenn die Vertragspartei infolge eines Umstands fernbleibt, den sie nicht zu vertreten hat und den sie der anderen Vertragspartei unverzüglich mitgeteilt hat.
(5) Kündigt eine Vertragspartei aus wichtigem Grund, ist der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt.
(6) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
Hier ist auf den Einzelfall abzustellen. In der Kommentierung wird angeführt, dass der Kündigungsgrund aus der Sphäre des Gegners der Kündigung stammen muss. Verschulden ist demnach zwar nicht erforderlich, Voraussetzung ist aber wohl, dass der Grund, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht, seine Ursache in der Sphäre des Vertragspartners haben soll. Die aktuelle Situation hatte der Gesetzgeber hierbei nicht im Blick.
Ist es aber beispielsweise dem Auftragnehmer nicht möglich, aufgrund von aktuellem Stillstand von Zulieferern, Materialengpässen, die ihre Ursache in der derzeitigen Liefersituation haben, die Leistung nicht wie vertraglich vereinbart zu erbringen, dürfte aus unserer Sicht ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertrages gegeben sein.
Damit ist natürlich noch nichts gesagt, welche Schadensersatzansprüche von Seiten des Auftraggebers geltend gemacht werden können. Diese setzen bekanntlich Verschulden voraus. Das ist aber eine Frage die erst zu stellen ist, wenn die Frage des Charakters der Kündigung geklärt ist.
Kann der Handwerker aber seine Leistung nach wie vor erbringen, dürfte ein außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers nur allein aufgrund des Umstandes der derzeitigen Krisensituation wohl nicht bestehen.
2. Was ist mit Vertragsfristen?
Das BGB enthält zum Umgang mit Vertragsfristen im Bauvertragsrecht keine explizite Regelung. Anders verhält es sich bei den Vertragsbedingungen der VOB/B.
Nach § 6 Abs. 2 VOB/B gilt:
1. Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht ist:
a) durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers,
b) durch Streik oder eine von der Berufsvertretung der Arbeitgeber angeordnete Aussperrung im Betrieb des Auftragnehmers oder in einem unmittelbar für ihn arbeitenden Betrieb,
c) durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.
Höhere Gewalt definiert der BGH als betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln auch durch die äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist (BGH, Urt. v. 23.10.1952 – III ZR 364/51).
Dies spricht von der Definition her dafür, die derzeitige Situation als höhere Gewalt anzunehmen. Voraussetzung ist aber, dass die Pandemie die alleinige Ursache für die Störung ist. Ist beispielsweise das Material nicht rechtzeitig geliefert worden, weil der AN die Rechnung des Lieferanten zunächst nicht bezahlt hat und verzögert sich dann die Materiallieferung weiter, weil nach der Zahlung die Lieferwege oder Produktionsprozesse nicht mehr funktionieren, so dürfte die Berufung auf höhere Gewalt ausgeschlossen sein. Das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus.
Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses meint Umstände, die nach menschlicher Einsicht und Erfahrung in dem Sinne unvorhersehbar sind, dass sie oder ihre Auswirkungen trotz Anwendung wirtschaftlich erträglicher Mittel durch die äußerste nach Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet und in ihren Wirkungen bis auf ein erträgliches Maß unschädlich gemacht werden können (BGH, Urt. v. 12.07.1973 – VII ZR 196/72).
Aber auch hier gilt, dass das geringste Verschulden die Berufung auf ein unabwendbares Ereignis ausschließt.
Auf jeden Fall sollte die Behinderungsanzeige, die nach § 6 VOB/B grundsätzlich erforderlich ist, gestellt werden. Für den Vertragspartner sind die hindernden Umstände nicht per se erkennbar. So sind die Lieferketten oder Produktionsstandorte dem Auftraggeber i.d.R. nicht bekannt. Um Nachteile zu vermeiden sollte auch eine lückenlose Dokumentation der Zeitabläufe erfolgen (wann bestellt, normale Lieferzeiten etc.), um nachweisen zu können, dass die Behinderung tatsächlich durch die Epidemie und seine Folgen bzw. darauf beruhenden Umständen beruht.
3. Was ist mir Vertragsstrafen und Verzugsschäden?
Sowohl die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Geltendmachung von Verzugsschäden setzen einen Verzug voraus. Ohne Verschulden gibt es keinen Verzug. Wenn also die obigen Umstände zu treffen, können entsprechende Ansprüche des Auftraggebers nicht durchgesetzt werden.
4. Was ist mit Mitwirkungspflichten des Auftraggebers?
Den Auftraggeber treffen beim Bauvertrag auch umfangreiche Mitwirkungspflichten. So ist er verpflichtet, die Planungsunterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, bzw. Material beizustellen, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Auch auf Auftraggeberseite können Behinderungen auftreten in Bezug auf derartige Pflichten. In der Regel sind diese Pflichten aber nicht als Vertragspflichten sondern als Obliegenheiten ausgestaltet, so dass deren Verletzung bei entsprechender Nachfristsetzung auch ein Recht des Auftragnehmers begründen können, sich vom Vertrag zu lösen (§ 642 und § 643 BGB). Schadensersatzansprüche wird es dann wiederum nur geben, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt.
5. Können Bestellungen aufgrund Lieferschwierigkeiten sofort storniert werden?
Eng verbunden mit baurechtlichen Fragen ist auch die Frage, welche Auswirkungen die Corona Pandemie auf die Lieferung von Bauteilen und Bauelementen hat. Kann der Auftragnehmer von entsprechenden Lieferverträgen zurücktreten, wenn die Lieferung aufgrund der aktuellen Situation nicht erfolgt?
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BGB den Begriff der höheren Gewalt nicht kennt. Weiter zu berücksichtigen ist, dass die Lieferschwierigkeiten nicht auf dauernde Unmöglichkeit zurückzuführen sind. Irgendwann wird die Lieferung, die derzeit aufgrund von behördlichen Verboten oder aber Arbeitskräftemangel etc. nicht möglich ist, wieder möglich sein. Das Gesetz selbst kennt den Begriff der vorübergehenden Unmöglichkeit nicht. Demzufolge ist abzustellen auf die allgemeinen Leistungsstörungen. Nach § 323 BGB kann der Gläubiger von dem Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner, in diesem Falle der Lieferant, seine Pflichten nicht erfüllt und ihm eine entsprechende Nachfrist gesetzt worden ist. Für die Frage des Rücktritts ist der Grund für die Pflichtverletzung, im vorliegenden Fall die Nichtlieferung, unerheblich.
Die Frage ist aber, ob möglicherweise die Fristsetzung entbehrlich ist, wenn der Lieferant mitteilt, nicht liefern zu können. Nach § 323 Abs. 2 BGB ist die Fristsetzung unter anderen dann entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung (Lieferung) endgültig und ernsthaft verweigert. Diese Voraussetzung dürfte nicht vorliegen, da der Händler sich in der Regel auf vorübergehende Unmöglichkeit berufen wird. Ein Unterfall ist das so genannte Fixgeschäft, d.h. also wenn feststeht, dass die Lieferung zu einem bestimmten Termin zu erfolgen hat. Die Fristsetzung ist dann entbehrlich, wenn der Lieferant mitteilt, zum vereinbarten Termin nicht liefern zu können. Zu prüfen ist dann aber immer, ob tatsächlich ein fester Termin vereinbart worden ist. Die Anforderungen sind hier sehr hoch. Oft beinhaltet die Vereinbarung der Lieferung zu einem bestimmten Termin nur die Frage der Fälligkeit. Ein Fixgeschäft liegt nur dann vor, wenn beide Parteien davon ausgehen, dass mit der Einhaltung des Termins das Geschäft stehen und fallen soll. Zur Sicherheit sollte daher dem Lieferanten immer eine Nachfrist gesetzt werden.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, wenn zwar die Lieferung noch nicht fällig ist, aber absehbar ist, dass im Falle der Fälligkeit eine Lieferung nicht erfolgen wird. Nach § 323 Abs. 4 BGB kann der Gläubiger auch vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktrittes eintreten werden. Hier werden vor allem die Fälle erfasst, in denen der Schuldner vor der Fälligkeit die Erfüllung des Anspruches ernsthaft und endgültig verweigert oder aber wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Schuldner die Leistung bis zum Ende der nach Fälligkeit zu bestimmenden Nachfrist nicht erbringen kann. Aber auch hier wird deutlich, dass immer auf die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung abgestellt wird. Das Abstellen auf die Möglichkeit, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht geliefert werden kann ist relativ unsicher, da nicht absehbar ist, wann die aktuelle Situation sich wieder normalisiert. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Lieferant mitteilt, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Lieferungen nicht mehr erfolgen können/werden.
Es ist dann jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Rücktritt ohne Fristsetzung vorliegen.
Es ist deshalb immer zu empfehlen, die Nachfrist zur Lieferung zu setzen um dann den Rücktritt rechtssicher erklären zu können.
Wir bitten zu beachten, dass die vorliegenden Ausführungen sich erst einmal nur auf den Rücktritt von der ausgelösten Bestellung beziehen. Die Frage, ob wegen der Nichtlieferung Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, ist hiervon zu trennen. Schadensersatzansprüche setzen immer ein Verschulden voraus, welches im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie durchaus entfallen kann. Vorliegend geht es nur darum erst einmal den Käufern (Unternehmer) ein Instrument an die Hand zu geben, um sich von dem Liefervertrag zu lösen.
6. Hat das Corona – Moratorium Auswirkungen auf die bauvertraglichen Vereinbarungen?
Ab dem 1. April gilt der Art. 240 EGBGB. Durch das die Gesetzesänderungen im Zivilrecht zur Abmilderung der Folgen von COVID-19 wurde das Schuldnermoratorium eingeführt. Neben Regelungen zu Kreditverträgen und Mietverträgen wurde für bestimmte Schuldner auch ein Leistungsverweigerungsrecht eingeführt. Der Text lautet:
(1) Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.
(2) Ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,
- 1.das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
- 2.dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebs gefährden würde. Absatz 2 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs führen würde. Wenn das Leistungsverweigerungsrecht nach Satz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht im Zusammenhang
- 1.mit Miet- und Pachtverträgen nach § 2, mit Darlehensverträgen sowie
- 2.mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen.
(5) Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden.
Schon aus dem Wortlaut wird deutlich, dass es sich zum einen um Dauerschuldverhältnisse handeln muss. Die Definition wird es solches im Gesetzestext nicht ausgeführt. Dies kann sich aber aus den Rückgriff auf § 309 Nr. 9 BGB ergeben. Danach sind Dauerschuldverhältnisse Verträge, die die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst-oder Werkleistungen zum Gegenstand haben. Bauverträge dürften daher nicht darunter fallen solange es sich nicht um wiederkehrende Leistungen handelt. Angesichts der weiteren Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechtes auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse findet das Moratorium auf bau- und/oder werkvertragliche Verpflichtungen keine Anwendung.
Nach der Gesetzesbegründung sollen unter diese Regelung sowohl für Verbraucher wie auch für Kleinstunternehmen etwa Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste fallen.
7. Was ist bei Bauträgerverträgen zu beachten?
Bei Bauträgerverträgen stellt sich auch die Frage, wie es sich mit vereinbarten Übergabeterminen verhält. Weiter oben hatten wir ausgeführt, dass das Thema höhere Gewalt
im Baurecht eine besondere Rolle spielt. Finden sich im Bauträgervertrag Klauseln, die dem Bauträger eine längere Zeit zur Fertigstellung einräumen im Falle von höherer Gewalt, so wird es darauf ankommen, ob die von ihm beauftragten Handwerker einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen wegen höherer Gewalt haben. Dies wird zumindest für Verträge gelten, die vor Bekanntwerden der Corona-Krise und der damit einhergehenden Einschränkungen geschlossen worden sind. Es sollte aber berücksichtigt werden, dass die derzeitige Ausnahmesituation kein Freibrief für Bauträger ist, zugesagte Fertigstellungstermin nicht einzuhalten. Die Nachweispflicht obliegt demjenigen, der sich auf die Umstände beruft. Allein der Hinweis auf die Infektionslage ist nicht ausreichend. Die die Verzögerung bedingenden Tatsachen sind darzulegen und nachzuweisen.
Für Erwerber ist zu empfehlen, die weitere Disposition auch davon abhängig zu machen, wie der Baufortschritt sich gestaltet. Mietverhältnisse sollten nur dann gekündigt werden, wenn sichergestellt ist, dass tatsächlich die Übergabe zum vereinbarten Zeitpunkt erfolgen kann und wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang immer 0die Kommunikation einerseits mit dem Bauträger andererseits aber auch mit dem Vermieter.
8. Was ist bei Vertragsabschlüssen zu beachten?
Da die Pandemie überraschend kam, gelten die Ausführungen zu den obigen Fragestellungen sicherlich nur für Verträge, die zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Pandemie bereits geschlossen waren. Werden Verträge im Bau-und Werkvertragsrecht jetzt geschlossen, ist allen Beteiligten bekannt, dass es zu Schwierigkeiten bei Materiallieferungen, beim Personaleinsatz etc. kommen kann. Werden dennoch bestimmte Zusagen getätigt, Fristen vereinbart etc. wird sich derjenige, der die Fristen dann nicht einhält, nicht auf die Corona Pandemie und die dadurch bedingten Schwierigkeiten berufen können. Wer sehenden Auges Verpflichtungen eingeht, obwohl klar ist, dass es Schwierigkeiten geben kann, wird von der Rechtsordnung nicht geschützt.
9. Kann der Bauherr wegen der Corona Pandemie die Abnahme hinausschieben?
Nach § 640 BGB ist der Auftraggeber verpflichtet, das vertragsgemäß fertig gestellte Werk abzunehmen. An die Abnahme ist die Fälligkeit der Vergütung des Auftragnehmers gebunden. Da die Bauarbeiten auch während der Zeiten der Kontaktbeschränkungen weitergegangen sind, stellt aus unserer Sicht allein der Umstand, dass derzeit Kontaktbeschränkungen bestehen, keinen Grund dar, die Abnahme zu verweigern oder hinauszuschieben.
10. Was kann der Unternehmer tun, wenn der Auftraggeber auf eine Abnahmeforderung nicht reagiert?
Nach § 640 Abs. 2 BGB gilt ein Werk auch dann als abgenommen, wenn der Unternehmer den Besteller/Auftraggeber eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller/Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Reagiert also der Auftraggeber auf eine Abnahmeforderung des Auftragnehmers nicht, so ist dem Auftragnehmer zu empfehlen, eine angemessene Frist zur Erklärung der Abnahme zu setzen. Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, treten die oben genannten Rechtsfolgen der Abnahme nur dann ein, wenn der Verbraucher zusammen mit der Aufforderung, die Abnahme zu erklären und der Fristsetzung auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist.
Die Angemessenheit der Frist wird sich nach dem Umfang der geschuldeten Arbeiten zu richten haben. Handelt es sich um ein umfangreiches Bauvorhaben, wird die Frist länger zu bemessen sein, als beispielsweise bei einem kleineren Vorhaben.
11. Welche Möglichkeiten stehen dem Unternehmer zur Verfügung, wenn Zweifel an der Liquidität des Auftraggebers bestehen?
Nicht nur in Zeiten der derzeitigen Krise steh dem Unternehmer die Möglichkeit der Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB zur Verfügung. Danach hat der Auftragnehmer in einen Anspruch auf einen Anspruch auf Sicherheit für den noch offenen Werklohn zzgl. 10 %. Zur Stellung der Sicherheit kann er dem Auftragsgeber eine Frist setzen. Läuft diese Frist fruchtlos ab, kann er nach § 650 Buchst. f Abs. 5 S. 1 BGB die Leistung verweigern, kündigen oder die Sicherheit in einem beschleunigten Verfahren bei Gericht einklagen.
Im Rahmen der Fristsetzung ist aber zu berücksichtigen, dass möglicherweise aufgrund der Kontaktverbote die Banken und Kreditversicherer nicht so schnell arbeiten wie bisher.