Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen
Unangemessene Benachteiligung durch Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten
Eine Rückzahlungsklausel von Fortbildungskosten ist auch dann unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm z.B. aufgrund eines durch eigene leichteste Fahrlässigkeit verursachten Unfalls nicht mehr möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Das entschied das LAG Köln am 19.8.2025 (- 7 SLa 647/24).
Der Fall:
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten zum Brandmeister.
In der „Rückzahlungsverpflichtung: Weiterbildungskosten“ ist u.a. geregelt, dass der Beklagte sich verpflichtet, die vom Arbeitgeber tatsächlich übernommenen Fortbildungskosten und die während der Freistellung zur Ausbildung gezahlte Vergütung zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Jahren nach erfolgreicher Beendigung der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen beendet wird.
Nach Abschluss der Ausbildung zahlte die Klägerin das Gehalt des Beklagten zunächst nur unvollständig aus. Die Nachzahlungen erfolgten erst im Dezember 2023 und Januar 2024. Im Januar 2024 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen ordentlich zum 29.02.2024. Daraufhin machte die Klägerin die anteilige Rückzahlung von Fortbildungskosten i.H.v. rund 70.000 Euro geltend (rund 10.000 Euro Fortbildung; rund 60.000 Euro Vergütung). Der Beklagte leistete keine Zahlung.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Die Entscheidung:
Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Rückzahlung der Ausbildungskosten noch auf Rückzahlung der während der Ausbildung gezahlten Vergütung. Die Rückzahlungsklausel in § 4 der Fortbildungsvereinbarung führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam.
Für den in einer Rückzahlungsklausel verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kommen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht: Der Begriff kann i.S.d. § 276 BGB als Verschulden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten interpretiert werden. Er kann aber auch als dahingehend interpretiert werden, dass er alle Gründe umfasst, die aus der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre stammen.
Es ist die Auslegung zu wählen, die dem Vertragspartner des Verwenders, also dem Beklagten, zum Erfolg verhilft. Dies ist die zweite Auslegungsmöglichkeit. Denn mit diesem Verständnis (Sphäre des Arbeitnehmers) des „Vertretenmüssens“ erweist sich die Rückzahlungsklausel wie dargelegt als unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Darüber hinaus ist die Klausel auch dann unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn man von einem Vertretenmüssen i.S.d. § 276 BGB in Form der Fahrlässigkeit ausgeht. Zwar ist das BAG bislang nur von einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen, wenn die dauerhafte Leistungsunfähigkeit vom Arbeitnehmer unverschuldet war.
Hier ist aber auch die besondere Eigenart des Arbeitsverhältnisses im Feuerwehrdienst zu beachten. Es handelt sich um eine gefährliche Arbeit mit besonderen Risiken und besonderen Ansprüchen an die körperliche Leistungsfähigkeit. Das Risiko einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit ist deutlich höher als bei vielen anderen Berufen. Wenn der Beklagte einen Unfall erleidet, den er durch leichteste Fahrlässigkeit verursacht hat und der zu einer Feuerwehrdienstuntauglichkeit führt, müsste er während der Bindungsfrist ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortführen, um einer Rückzahlungsverpflichtung aufgrund einer Eigenkündigung zu entgehen, und zwar nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums sogar ohne Gegenleistung des Arbeitgebers.
Hieran kann die Arbeitgeberin kein ernsthaftes und billigenswertes Interesse haben. Ebenso verbliebe aber auch beim Arbeitnehmer kein Mehrwert der Ausbildung, da er den Beruf nicht mehr ausüben kann, weder bei der Klägerin, noch sonst irgendwo.
Auch die Rückzahlungsklausel hinsichtlich der gezahlten Vergütung führt zur unangemessenen Benachteiligung des Beklagten i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam. Es handelt sich bereits nicht um eine „Freistellungsvergütung“, sondern um eine Vergütung für geleistete Arbeit i.S.d. § 611a Abs. 2 BGB. Eine Freistellung bewirkt die Suspendierung der Hauptleistungspflicht, nämlich die Pflicht zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit.
Arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Beklagten war es, eine Ausbildung zum Brandmeister zu durchlaufen. Diese Arbeitsleistung hat der Beklagte erbracht. Folgerichtig haben die Parteien auch in der Fortbildungsvereinbarung geregelt, dass die Ausbildung als Arbeitszeit angesehen wird.
Eine erbrachte Arbeitsleistung als Freistellung zu deklarieren, um dann die Freistellungsvergütung zurückfordern zu können, ist nicht nur unangemessen benachteiligend, sondern verstößt auch gegen gesetzliche Bestimmungen wie § 611a Abs. 2 BGB, §§ 2, 3 EFZG, §§ 1, 11 BUrlG.
Letztlich ist auch die Erstattungspflicht ihrem Umfang nach dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht zumutbar. Denn sie umfasst maximal die Bruttovergütung für einen Zeitraum von 18 Monaten, vorliegend rd. 70.000 €. Dies sind mehr als zwei Netto-Jahresvergütungen eines dienstjungen Brandmeisters im öffentlichen Dienst. Der Beklagte geht mithin vollkommen zu Recht davon aus, dass die Klausel ruinös und damit unangemessenen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen.