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Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus Mangel an tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig beschaffbaren liquiden Mitteln

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus Mangel an tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig beschaffbaren liquiden Mitteln
Aktuelles
15.09.2025 — Lesezeit: 4 Minuten

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus Mangel an tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig beschaffbaren liquiden Mitteln

Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierbei sind nur diejenigen liquiden Mittel einzubeziehen, über die der Schuldner tatsächlich verfügt oder die er sich kurzfristig, also innerhalb von drei Wochen, beschaffen kann. Forderungen gegen Dritte können nur insoweit eingesetzt werden, als sie tatsächlich bestehen und der Schuldner die Forderungen spätestens binnen drei Wochen realisieren kann. Das entschied der BGH mit Urteil v. 31.7.2025 – IX ZR 160/24.

Der Fall:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH & Co. KG (Schuldnerin), deren alleiniger Kommanditist sowie Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH T.W. ist. T. W. bezog in dem Zeitraum vom 1.6.2021 bis zum 31.5.2022 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In dem zugrundeliegenden Leistungsbescheid wurde der Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit mit Null angegeben. Am 29. und 30.9.2021 beglich die Schuldnerin mit drei Zahlungen Steuerverbindlichkeiten des T. W. bei dem beklagten Bundesland Am 3.6.2022 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des T. W.

Der Kläger forderte das beklagte Bundesland zur Rückgewähr der Zahlungen auf.

Ob die Schuldnerin im Geschäftsjahr 2020 einen Gewinn erwirtschaftet hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger macht geltend, die Zahlungen unterlägen der Anfechtung gem. § 134 InsO. Die Steuerforderungen des Beklagten gegen T. W. seien wertlos gewesen. Dieser sei im Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr in der Lage gewesen, seine Zahlungsverpflichtungen selbst zu erfüllen oder der Schuldnerin die von ihr verauslagten Zahlungen zu erstatten. Der Beklagte behauptet, nach dem Gesellschaftsvertrag habe das Jahresergebnis der Schuldnerin ausschließlich T. W. zugestanden; ein Gewinnanspruch für das Jahr 2020 könne nicht ausgeschlossen werden.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte das beklagte Bundesland zur Rückgewähr der Zahlungen. Das OLG wies die Klage ab.

Die Entscheidung:

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Die Feststellungen des OLG genügen nicht, um eine Anfechtbarkeit der von der Schuldnerin an das beklagte Bundesland geleisteten Zahlungen gem. § 134 Abs. 1 InsO ausschließen zu können.

Die von der Schuldnerin geleisteten Zahlungen stellen eine anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO dar, wenn sie unentgeltlich im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligen. Die im Streitfall bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht den Schluss des OLG, das beklagte Bundesland habe die Zahlungen der Schuldnerin auf die Steuerverbindlichkeiten des T. W. nicht als unentgeltliche Leistungen erlangt. Rechtsfehlerhaft meint das OLG, die Steuerforderungen des beklagten Landes gegen T. W. seien nicht wertlos gewesen. Vielmehr ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, dass T. W. im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen der Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen ist. Mit der Begründung des OLG lässt sich eine Zahlungsunfähigkeit des T. W. und damit eine Wertlosigkeit der Steuerforderungen des beklagten Landes nicht in Zweifel ziehen.

Zahlungsunfähigkeit ist ein objektiver Zustand. Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden. Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Hierbei sind nur diejenigen liquiden Mittel einzubeziehen, die sich der Schuldner kurzfristig, also innerhalb von drei Wochen, beschaffen kann. Der Schuldner muss über sie tatsächlich verfügen oder sie binnen drei Wochen verfügbar machen können. Forderungen gegen Dritte können nur insoweit eingesetzt werden, als sie tatsächlich bestehen und der Schuldner die Forderungen spätestens binnen drei Wochen realisieren kann.

Rechtsfehlerhaft hat das OLG angenommen, eine Zahlungsunfähigkeit des T. W. lasse sich deshalb nicht feststellen, weil der Kläger die Möglichkeit eines T. W. zustehenden Gewinnanspruchs für das Geschäftsjahr 2020 nicht ausgeschlossen und insoweit seiner Darlegungslast nicht genügt habe. Indem es gemeint hat, der darlegungs- und beweisbelastete Kläger könne sich nicht darauf zurückziehen, dass die Schuldnerin in 2020 keinen Gewinn erwirtschaftet und ausgewiesen habe, hat es die angebotenen Beweise prozessordnungswidrig nicht erhoben.

(Quelle: otto-schmidt.de/wirtschaftsrecht)

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Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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