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BFH: Besetzungsrüge bei Sachentscheidung vor Entscheidung über Ablehnungsgesuch

BFH: Besetzungsrüge bei Sachentscheidung vor Entscheidung über Ablehnungsgesuch
Aktuelles
26.08.2025 — Lesezeit: 2 Minuten

BFH: Besetzungsrüge bei Sachentscheidung vor Entscheidung über Ablehnungsgesuch

Der BFH hat mit Beschluss vom 29. Juli 2025, VIII B 66/24, entschieden:

Entscheidet ein abgelehnter Richter in der Sache, bevor über ein gegen ihn gerichtetes nicht offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch entschieden worden ist, kann der Mangel als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung geltend gemacht werden.

Sachverhalt:

Während der mündlichen Verhandlung, die nach vorheriger Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags der Klägerin und Beschwerdeführerin ohne deren Beteiligung stattfand, ging bei dem Finanzgericht (FG) nach Aktenlage um 12:53 Uhr per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ein Schriftsatz der Klägerin mit einem Ablehnungsgesuch ein. Dieses war damit begründet, dass die Vorsitzende Richterin ein Terminsverlegungsantrag der (seinerzeit) anwaltlich nicht vertretenen Klägerin zu Unrecht abgelehnt habe. Die Richterin erfuhr davon während der mündlichen Verhandlung nichts und verkündete um 13:05 Uhr am selben Tag ein klageabweisendes Urteil, gegen das sich die Nichtzulassungsbeschwerde richtet.

Entscheidung

Der BFH führt aus: Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist wirksam und rechtzeitig vor Verkündung des Urteils bei dem FG eingegangen. Maßgeblich ist bei der Übermittlung per beA der Zeitpunkt, in dem der Schriftsatz auf dem für das Gericht eingerichteten Server im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach gespeichert ist. Das war nach Aktenlage am Verhandlungstag um 12:53 Uhr der Fall. Unerheblich ist, dass der Antrag nicht sofort vorgelegt worden ist und warum das nicht geschehen ist.

Das Ablehnungsgesuch, über das nach Aktenlage (noch) nicht entschieden ist, ist auch nicht offensichtlich unzulässig oder rechtsmissbräuchlich. Da in ihm behauptet wird, die Einzelrichterin habe den Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt, erfordert seine begründete Zurückweisung ein Eingehen auf den Akteninhalt und damit eine Beurteilung eigenen Verhaltens, die dem abgelehnten Richter verwehrt ist

Danach hätte das Gericht die mündliche Verhandlung um 12:53 Uhr unterbrechen müssen und durfte ein Urteil in der Sache weder erlassen noch verkünden, bevor über das Ablehnungsgesuch entschieden war. Unerheblich ist, dass das Gericht von dem Ablehnungsgesuch bei Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils keine Kenntnis hatte. Der Mangel muss nur objektiv vorliegen; ein Verschulden des Gerichts wird nicht vorausgesetzt.

Hinweis:

Der geltend gemachte Verfahrensmangel der fehlerhaften Besetzung des Gerichts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (vgl. § 116 Abs. 6 FGO).

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aigerim Rachimow, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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