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Kein Gerichtsstand des Arbeitsortes bei Entschädigungsklagen nach dem AGG

Kein Gerichtsstand des Arbeitsortes bei Entschädigungsklagen nach dem AGG
Aktuelles
12.05.2025 — Lesezeit: 3 Minuten

Kein Gerichtsstand des Arbeitsortes bei Entschädigungsklagen nach dem AGG

Ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg (Urt. v. 23.04.2025 – 4 Ca 151/25) stellt klar: Für Entschädigungsklagen gemäß § 15 Abs. 2 AGG wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren gilt der besondere Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes nach § 48 Abs. 1a ArbGG nicht. Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung für Arbeitgeber – insbesondere im Hinblick auf die Wahl des Gerichtsstandes bei Auseinandersetzungen mit abgelehnten Bewerbern.

Hintergrund des Falls:

Ein Bewerber machte gegenüber einem Unternehmen mit Sitz in München einen Entschädigungsanspruch geltend. Er sah sich aufgrund seiner ethnischen Herkunft im Rahmen des Bewerbungsverfahrens diskriminiert. Obwohl der Arbeitsplatz in Hamburg ausgeschrieben war, lehnte das Arbeitsgericht Hamburg die Zuständigkeit ab und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München – also an den Sitz der beklagten Arbeitgeberin.

Kernaussage des Gerichts:

Nach § 48 Abs. 1a ArbGG ist grundsätzlich das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet hat. Dieser Gerichtsstand dient dem Schutz abhängig beschäftigter Arbeitnehmer. Entscheidend ist jedoch, dass diese Regelung ein bestehendes oder ehemaliges Arbeitsverhältnis voraussetzt. Im entschiedenen Fall war es nicht zu einem Arbeitsverhältnis gekommen. Der Kläger war lediglich Bewerber.

Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass eine analoge Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen ist. Es fehle sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die gesetzgeberische Intention des § 48 Abs. 1a ArbGG besteht darin, Arbeitnehmern den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern, wenn ihre Rechte aus einem bestehenden Vertragsverhältnis verletzt werden. Im Bewerbungsverfahren fehlt es jedoch an diesem arbeitsvertraglichen Synallagma.

Folgen für die Praxis:

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil mehr Rechtssicherheit: Entschädigungsklagen von abgelehnten Bewerbern nach § 15 Abs. 2 AGG sind an dem Ort zu führen, an dem das Unternehmen seinen Sitz hat – nicht dort, wo der Bewerber möglicherweise später tätig geworden wäre. Dies reduziert das Risiko taktischer Klageorte („forum shopping“) durch Bewerber.

Die Entscheidung stärkt damit die berechtigten Interessen von Arbeitgebern, indem sie eine klare Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Streitigkeiten und vorvertraglichen Diskriminierungsvorwürfen vornimmt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. BAG, Urt. v. 26.06.2014 – 8 AZR 547/13), wonach das AGG-Benachteiligungsverbot nicht zu einer Ausweitung arbeitsprozessualer Sonderregelungen führen darf.

Fazit:

Unternehmen sollten bei Bewerbungsverfahren weiterhin besondere Sorgfalt walten lassen, um Diskriminierungsvorwürfe zu vermeiden. Kommt es dennoch zu einer Klage, können sie sich auf den Gerichtsstand ihres Sitzes berufen – sofern kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Arbeitgeber sind damit besser vor missbräuchlichen Klageorten geschützt.

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Aigerim Rachimow
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Medizinrecht

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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