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Zum Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach einem Verkehrsunfall

Zum Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach einem Verkehrsunfall
Aktuelles
23.10.2023

Zum Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach einem Verkehrsunfall

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat wie folgt entschieden (OLG Köln, Urt. v. 18.08.2023 – 7 U 21/23 [aus den Entscheidungsgründen]):

„Nach den nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstandenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts hat die Klägerin durch den Unfall eine Halswirbel– und Lendenwirbelsäulenblockierung nebst entsprechender Beteiligung der Muskeln und Sehnen (Verhärtungen), eine HWS-Distorsion des Schweregrades I-II sowie eine PTBS mitsamt Panikzuständen und Schlafstörungen erlitten.

Den Beklagten ist zuzugeben, dass die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes sich anhand der Urteilsbegründung nicht nachvollziehen lässt. Eine Auswertung der bei Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch, Schmerzensgeldbeträge 2023, 41. Aufl., dargestellten Entscheidungen ergibt eine große Bandbreite bei der Bemessung des Schmerzensgeldes bei PTBS. Der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag liegt dabei im deutlich oberen bis obersten Bereich. So hat z.B. das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 09.06.2011, Az: 13 U 16/09 (Nr. 3027) einen Betrag i.H.v. 11.300,00 EUR (Indexanp. 2022 14.069,00 EUR) nebst einem immateriellen Vorbehalt für eine 40-jährige Frau, die ebenfalls aufgrund der PTBS berufsunfähig wurde, ausgeurteilt. Mit Urteil vom 06.06.2019, Az.: 12 U 119/18, juris, hat das OLG Brandenburg einer 47-jährigen Frau, die als Dauerschaden eine Depression erlitt, für eine PTBS mit Arbeitsunfähigkeit (Dauer fraglich) ein Schmerzensgeld von (Indexanp. 2022) 13.442,00 EUR zugesprochen. 14.424,00 EUR (Indexanp. 2022) setzte das Oberlandesgericht Koblenz mit Entscheidung vom 12.01.2015, Az.: 12 U 390/12 (Nr. 3029) fest. Auch in diesem Fall war eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit gegeben, wobei allerdings ausgeführt wurde, der dortige Kläger könne seinen Beruf als Straßenwärter nicht mehr ausüben. Jedenfalls eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit lag der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 08.03.2017, Az.: 5 U 768/14 (Nr. 3034) zugrunde, mit der ein Schmerzensgeld von 15.516,00 EUR aufgrund einer PTBS mit Depressionen zugesprochen wurde. Im dortigen Fall konnte durch eine mehrjährige Therapie eine Verbesserung des Gesundheitszustandes herbeigeführt werden. 49.463,00 EUR (Indexanp. 2022) sprach nur das Oberlandesgericht Stuttgart mit Entscheidung vom 19.11.2012, Az.: 13 U 91/10 (Nr. 3041) zu, wobei dort bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt wurde, dass bis zum Unfallzeitpunkt der Kläger einer regelmäßigen Arbeit nachging und infolge der psychischen Erkrankung nicht mehr arbeits- und erwerbsunfähig war.

Unter Würdigung der dargestellten Entscheidungen stellt sich das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld als zu hoch dar. Dies ist insbesondere auch deshalb der Fall, weil nach der Aussage der Gerichtssachverständigen eine Traumatherapie noch eine Verbesserung des Zustandes der Klägerin mit sich bringen könnte und die Klägerin diese Traumatherapie bisher noch nicht angetreten hat. Insbesondere aufgrund der mithin noch erfolgversprechend in Betracht kommenden Heilungsmöglichkeit hält der Senat den vorliegenden Sachverhalt auch nicht mit demjenigen des OLG Stuttgart in der Entscheidung vom 19.01.2012, Az.: 13 U 91/10 (Nr. 3041) für vergleichbar. Im dortigen Fall stand zudem auch eine mittelgradige depressive Episode im Vordergrund und diese bildete die (Haupt-) Ursache für die andauernde Arbeits– und Erwerbsunfähigkeit des dortigen Klägers. Nach den Ausführungen der Gerichtssachverständigen im vorliegenden Fall steht hier aber die PTBS im Vordergrund, die noch mit Erfolg behandlungsfähig ist.

Zu der von der Klägerin als Argument für die weitere Erhöhung des Schmerzensgeldes herangezogenen Genugtuungsfunktion ist auszuführen, dass dem Beklagten zwar ein Verschulden, jedoch nur in Form der Fahrlässigkeit im Straßenverkehr zur Last fällt. Auch ein verzögertes Regulierungsverhalten seitens der Beklagten ist hier nicht festzustellen. Da eine PTBS als rein psychische Verletzung für den Laien nicht ohne weiteres im Vorliegen und in der Ausprägung überprüfbar ist, durften die Beklagten durchaus eine weitere psychiatrische Begutachtung der Klägerin – auch im Hinblick auf einen Zukunftsschaden – abwarten und die vorliegenden Behandlungsunterlagen infrage stellen. Ein über Gebühr unzulässiges Verteidigungsverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Dass die Beklagten während des Rechtsstreits insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie Rechtsmittel gegen das landgerichtliche Urteil unter Berufung auf eine von ihnen eingeholte fachärztliche (Gegen-) Stellungnahme eingelegt haben, nicht weitere Beträge an die Klägerin geleistet haben, ist nach dem vorliegenden Sachverhalt und der verstrichenen Zeitdauer ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagten haben auch nicht jegliches eigene Verschulden bestritten, sondern sind von einer zu ihren Lasten überwiegenden Haftungsquote von 3/4 zu 1/4 ausgegangen.

Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände hält der Senat vorliegend demnach ein Schmerzensgeld von 32.000,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend, die von der Klägerin durch den Unfall erlittenen Verletzungen und deren Folgen auszugleichen.“

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Autor(en)


Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

Mail: halle@etl-rechtsanwaelte.de


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