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3G-Regel in der Zahnarztpraxis?

Die Position der Zahnärztekammern ist nicht haltbar!
3G-Regel in der Zahnarztpraxis?
Der Kommentar
05.10.2021

3G-Regel in der Zahnarztpraxis?

Die Position der Zahnärztekammern ist nicht haltbar!

Hinweis: Dieser Beitrag wurde aufgrund zahlreicher Reaktionen auf unseren bislang eingestellten Artikel um eine Zusammenfassung erweitert.

Vermehrt stellen sich Zahnarztpraxen die Frage, ob sie die Behandlung eines Patienten von der Beachtung der sog. 3G-Regel abhängig machen dürfen. Das hätte zur Folge, dass grundsätzlich nur noch solche Patienten behandelt würden bzw. behandelt werden müssten, die geimpft, genesen oder aktuell getestet sind. Selbstverständlich wären Notfälle davon ausgenommen. Insoweit besteht nach allgemeiner Auffassung eine Pflicht zur zahnmedizinischen Behandlung. Gleiches mag für Kleinkinder gelten. Und auch Senioren, bei denen beispielsweise lediglich eine Prothese zu reparieren ist, dürften einen Sonderstatus besitzen, demzufolge diese Personen ebenfalls nicht unter die 3G-Regel fallen würden.

Da es aktuell in Deutschland keine allgemeine Impfpflicht gibt, geht es im Wesentlichen darum, ob sich der Behandler nach dem Impfstatuts seines Patienten erkundigen darf sowie um einen etwaig obligatorischen Test auf das Coronavirus. Es soll unterstellt werden, dass der Zahnarzt bereit ist, den ungeimpften und nicht genesenen Patienten auf seine Kosten, also auf Kosten des Behandlers, per Antigenschnelltest auf das Virus zu testen.

Bei der Zahnärztekammer Nordrhein heißt es dazu (https://www.zahnaerztekammernordrhein.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Sonstiges/Kein_3G-Nachweis_von_Patienten_erforderlich.pdf, Abruf am 01.10.2021, 10:40 Uhr):

„Jedes Mitglied der Zahnärzteschaft verpflichtet sich, seinen Beruf würdig, gewissenhaft und nach den Gesetzen der Menschlichkeit zum Wohle des Patienten auszuüben sowie dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Der Zahnarzt ist zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Ungeachtet der Verpflichtung des Zahnarztes, in Notfällen zu helfen, kann nach § 1 Abs. 6 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein der Zahnarzt die Behandlung ablehnen, falls eine Behandlung nicht gewissenhaft und sachgerecht durchgeführt werden kann oder die Behandlung ihm nach pflichtgemäßer Interessenabwägung nicht zugemutet werden kann oder er der Überzeugung ist, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht. Es würde dieser Berufspflicht widersprechen, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten willkürlich ablehnt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er es ablehnt, ganze Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel Ungeimpfte oder nicht Getestete – zu behandeln. Das fehlende Vertrauensverhältnis, das für die Ablehnung einer Behandlung erforderlich ist, kann stets nur einen einzelnen Patienten, nicht aber ganze Gruppen betreffen.“

Weiter heißt es im „Fazit“ der Stellungnahme der Zahnärztekammer:

„Es gibt keine gesetzliche Grundlage, durch die der Impfstatus oder ein aktueller Corona-Test eines Patienten Voraussetzung für eine Behandlung sein darf, gleichwohl sich der Zahnarzt oder Zahnärztin beim Patienten nach entsprechendem Status erkundigen darf, auch wenn dieser ihm oder ihr nicht antworten muss. Zudem darf gemäß der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt keinen Patienten ablehnen, nur weil er möglicherweise unter einer Infektionskrankheit leidet oder weil er zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (Ungeimpfte oder nicht Getestete) gehört.“

Wir teilen Ergebnis und Argumentation der Zahnärztekammer nicht! Wir halten es für zulässig, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten – von Ausnahmefällen abgesehen – unter Berücksichtigung der 3G-Regel durchführt bzw. nicht durchführt.

Die Zahnärztekammer weist zu Recht darauf hin, dass eine zahnärztliche Behandlung nicht willkürlich abgelehnt werden darf. Allerdings ist nach unserer Einschätzung die Beachtung einer 3G-Regel in einer Zahnarztpraxis mitnichten ein Akt der Willkür, sondern vielmehr eine sachlich gut begründete, wirksame Maßnahme zum Schutz des Behandlers, seines bei ihm beschäftigten Personals sowie der Patienten im Übrigen vor eine potentiell tödlichen Erkrankung.

Der Duden versteht unter dem Begriff Willkür „ein allgemein geltenden Maßstäbe, Gesetze, die Rechte, Interessen anderer missachtendes, an den eigenen Interessen ausgerichtetes und die eigene Macht nutzendes Handeln, Verhalten“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Willkuer, Abruf am 01.10.2021, 10:51 Uhr).

Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass ein Zahnarzt, der grundsätzlich und von begründeten Ausnahmefällen abgesehen die 3G-Regel anwenden möchte, willkürlich im Sinne der Definition im Duden handelt. Die Zahnärztekammer Nordrhein erkennt den Vorwurf willkürlichen Verhaltens maßgeblich darin, dass der Zahnarzt eine „ganze Bevölkerungsgruppe“ nicht behandele, nämlich etwa die nicht Getesteten. Das ist abwegig. Wie bereits ausgeführt geht es dem Zahnarzt ausschließlich um den Gesundheitsschutz, nämlich um den Schutz vor einer in vielen Fällen todbringenden, zumindest mit einem lang andauernden Leiden verbundenen Krankheit (Stichwort Long Covid). Es ist nicht erkennbar, welches überwiegende Interesse der Patient haben soll, um einer Pflicht zur Auskunft über seinen Impfstatus bzw. einem Schnelltest erfolgreich entgehen zu können. Wäre die Auffassung der Zahnärztekammer richtig, wäre die 3G-Regel ausnahmslos willkürlich, also beispielsweise auch dann, wenn die öffentlichen Schulen eine Testpflicht zu beachten haben. Es ist demzufolge nicht verwunderlich, dass auch die Gerichte ganz überwiegend eine solche Testpflicht an Schulen als rechtlich einwandfrei anerkennen (so etwa das Verwaltungsgericht Aachen, Beschl. v. 27.04.2021 – 9 L 241/21 und das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschl. v. 19.04.2021 – 13 MN 192/21). Des Weiteren ist die 3G-Regel in zahlreichen Kliniken Standard. Auch dort ist nicht die Rede von Willkür. Auch dort geht es um den Schutz von Menschen vor einer gefährlichen, leicht übertragbaren Krankheit.

Gänzlich unverständlich ist der Hinweis der Zahnärztekammer darauf, dass sich der Zahnarzt zwar nach dem Impfstatus des Patienten erkundigen dürfe, den Patienten treffe aber keine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der (zulässigen) Frage. Entweder oder! Entweder ist die Frage zulässig, dann muss sie auch wahrheitsgemäß beantwortet werden. Oder die Frage ist unzulässig, dann darf der Patient die Antwort verweigern oder auch unrichtig beantworten (sog. Recht zu Lüge). Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Frage nach dem Impfstatus/Serostatus im Regelfall zulässig und muss demzufolge wahrheitsgemäß beantwortet sowie durch eine entsprechende analoge oder digitale Bescheinigung belegt werden.

Schließlich geht der von einigen Zahnärztekammern – etwa der Zahnärztekammer Niedersachsen – erteilte Hinweis auf die Corona-Schutzverordnungen der Bundesländer fehl. Diese Verordnungen setzen Mindeststandards. Es bleibt den Betroffenen prinzipiell die Möglichkeit, überobligatorische Standards zu setzen (so zu einem Einzelhändler, der trotz nicht rechtlich vorgegebener 2G-Regel diese anwenden wollte, das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.09.2021 – 5 L 2709/21.F).

Zuzugeben ist lediglich, dass es sich bei Gesundheitsdaten immer um besonders sensibel zu behandelnde Daten handelt. Diese unterliegen nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen – so etwa nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – zu Recht einem stark ausgeprägten Schutz vor Bekanntgabe. Es mutet aber schon merkwürdig an, ausgerechnet dem behandelnden Zahnarzt gegenüber auf den Schutz von Gesundheitsdaten zu pochen, wenn ansonsten alles rund um die Zahngesundheit gegenüber dem Behandler preisgegeben werden darf bzw. im Einzelfall preisgegeben werden muss. So etwa die Einnahme bestimmter Medikamente, was natürlich regelmäßig den Schluss auf die der der Medikamenteneinnahme zugrundeliegende Erkrankung zulässt. Im Übrigen muss immer wieder betont werden, dass selbst die „Erfinder“ der DSGVO im Hinblick auf Pandemien ausdrücklich großzügige Ausnahmen vom Datenschutz vorgesehen haben. Denn allen ist klar: Die Gesundheit ist unser höchstes Gut!

Zusammenfassung: Im Ergebnis stellt sich die Frage, ob der Wunsch nach einer Zugangsbeschränkung über die 3G-Regel mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf uneingeschränkten Zugang zur zahnärztlichen Behandlung kollidiert. Insoweit dürften sich  u.a. die Interessen der Zahnärzte/innen im Rahmen der Pandemieplanung der Praxis, die Einhaltung der Hygienevorschriften auch zur Vermeidung haftungsrechtlicher Weiterungen, dem auch arbeitsrechtlich zu verortenden Schutz ihrer Mitarbeiter/innen sowie dem Schutz der unbeteiligten Patienten/innen sowie der eigenen körperlichen Integrität einerseits mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf zahnärztliche Behandlung gegenüberstehen. Dies unabhängig von der (insoweit weitergehenden Fragestellung, inwieweit die Erfragung des Impfstatus als zulässig zu bewerten ist und wahrheitsgemäß durch den die zahnärztliche Behandlung Ersuchenden beantwortet werden muss).

Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Norm begründet einen Anspruch dem Grunde nach für die in der GKV Versicherten auf Krankenbehandlung und damit einen Rechtsanspruch i.S.d. § 38 SGB I.

Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V die zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden.

Dies vorweggeschickt dürfte der Wunsch nach einer Zugangsbeschränkung über die 3G-Regel mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf uneingeschränkten Zugang zur zahnärztlichen Behandlung kollidieren.

Unsere Empfehlung geht daher dahin, nicht den Zugang der in der GKV versicherten Patienten in konsequenter Umsetzung der 3G-Regel zu verweigern, sondern an der Strategie, Tests anzubieten, festzuhalten.

P.S. Wenn man den hier vertretenen Standpunkt nicht teilt, dann wird man aber keinesfalls die Anwendung der 3G-Regel auf eine PZR (= professionelle Zahnreinigung) verneinen können, soweit die PZR nicht Teil eines unabdingbar notwendigen, zeitsensitiven zahnmedizinisch gebotenen Behandlungskonzepts ist.

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Katrin-C. Beyer, LL.M.
Rechtsanwältin
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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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