55 arbeitsrechtliche Fragen und Antworten zum Coronavirus/Covid-19
Das Arbeitsrecht ist in vielerlei Hinsicht durch die Coronavirus-Krise betroffen. Schon der Weg zum Arbeitsplatz ist aktuell in zahlreichen Fällen durch staatliche Maßnahmen beschränkt (so insbesondere durch die 3G-Regel im öffentlichen Personennahverkehr, ÖPNV). Aktuelle Gesetzgebung der Ampelkoalition hat zudem die 3G-Regel an nahezu allen Arbeitsplätzen mit sich gebracht. Darüber hinaus gibt es eine Fülle teils geklärter, teils ungeklärter Fragen mit Bezug zum Arbeitsrecht.
Auch wenn der Gesetz- und Verordnungsgeber in einigen Bereichen Regelungen geschaffen hat, die für das Arbeitsrecht von Bedeutung sind, kann in weiten Teilen bedauerlicherweise nicht auf rechtlich gesicherte Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Wir betreten vielfach juristisches Neuland.
Nachfolgend beantworten wir die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Wir starten mit einer verkürzt formulierten Fragenübersicht. Daran schließt sich die ausführliche Beantwortung einer jeden Frage an.
Sollten Sie durch das Coronavirus (COVID-19) betroffener Arbeitgeber sein, können Sie sich an einen Autor dieses Beitrags wenden. Wir klären Sie gerne zu Beginn des Telefonats über die für unsere Dienstleistung anfallenden Kosten auf. Die erste Kontaktaufnahme ist stets kostenlos und völlig unverbindlich. Arbeitgebern, die Inhaber unserer Beratungspolice sind (= Beratungsvertrag, gekoppelt mit einer Flatrate), beantworten wir Fragen im Rahmen der Bedingungen der Beratungspolice ohne Zusatzkosten.
Unsere Anwältinnen und Anwälte stehen Ihnen für weitergehende Auskünfte zur Verfügung. Gerne bringen wir Sie mit einem für Sie geeigneten Ansprechpartner zusammen.
Hinweis: Die mit NEU gekennzeichneten Fragen wurden entweder in den letzten 28 Tagen zusätzlich eingefügt oder in den letzten 28 Tagen wesentlich geändert bzw. ergänzt.
Achtung: Unsere Antworten erfolgen nach bestem Wissen. Eine Gewähr für die Richtigkeit übernehmen wir nicht. Zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind derzeit nicht geklärt. Unsere Aussagen sind daher grundsätzlich zu hinterfragen. Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert.
Fragen und Antworten zur Impfung gegen das Coronavirus finden sie in einer gesonderten FAQ-Liste.
Beachten Sie bitte auch unsere Chronik zu Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit Corona. Wir haben den Beitrag inzwischen in zwei Teile aufgeteilt:
Teil 1: Entscheidungen Nr. 1 bis 500
Teil 2: Entscheidungen ab Nr. 501
Speziell zur 3G-Regel am Arbeitsplatz verweisen wir auf den Beitrag von Rechtsanwalt Rainer Robbel aus Köln.
Zum Arbeitsrecht in Zeiten des Coronavirus siehe zudem den Beitrag von Sagan/Brockfeld in NJW 2020, 1112 ff. sowie den Kurzaufsatz von Benkert in NJW-Spezial 2020, 306 f.
Grimm befasst sich in DB 2020, 1177 ff. mit den Themen Lohnfortzahlung und Entgeltrisiko bei Corona.
Zur Einhaltung von Arbeitsschutzstandards während der Coronavirus-Pandemie durch den Arbeitgeber siehe auch den Beitrag von Müller-Bonanni/Bertke in NJW 2020, 1617.
Köllmann befasst sich in NZA 2020, 831 ff. mit der Corona-Warn-App sowie den damit verbundenen Fragen an den Schnittstellen zwischen Datenschutz- und Arbeitsrecht.
Mit den arbeitsrechtlichen Möglichkeiten einer Einsparung von Personalkosten ohne Entlassungen beschäftigt sich Kleinebrink in DB 2020, 1905 ff.
Jahn erläutert in einem Aufsatz in DB 2021, 2970 ff. die 3G-Regel am Arbeitsplatz.
Letzte Aktualisierung: 15. Dezember 2021
Fragenübersicht:
- NEU Was ist, wenn ein Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt ist?
- NEU Kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfallen, weil den Arbeitnehmer ein Verschulden an seiner Erkrankung trifft?
- NEU Führt die Verweigerung des Arbeitnehmers, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, zu einem Wegfall des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
- NEU Erhalten Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine Entschädigung?
- NEU Hat der Arbeitgeber ein Recht auf Mitteilung des Ergebnisses des Tests auf das Coronavirus? Besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitteilung der Krankheitsursache?
- Darf der Arbeitgeber die Person des an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmers offenlegen?
- NEU Was gilt, wenn der Arbeitnehmer einfach nur ängstlich ist und deshalb nicht zur Arbeit geht?
- NEU Der nicht erkrankte Arbeitnehmer muss aufgrund behördlicher Anweisung zu Hause bleiben (sog. Quarantäne) – was gilt? / Hat der Arbeitnehmer im Falle einer durch die Behörden angeordneten Quarantäne Anspruch auf Vergütung?
- NEU Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitnehmer ihm den Impfpass zeigt?
- NEU Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach dem Impfstatus sowie dem sog. Serostatus fragen?
- NEU Darf der (potentielle) Arbeitgeber einen Bewerber deshalb ablehnen, weil dieser ungeimpft ist?
- NEU Welche Rolle spielt § 616 BGB?
- NEU Was ist, wenn das nicht erkrankte Kind eines Arbeitnehmers unter Quarantäne gestellt wird und der Arbeitnehmer niemanden hat, der sich um das Kind kümmern kann?
- NEU Was ist bei generellen Maßnahmen der Bundesländer zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie (Beispiele: Schließung von Gaststätten, Hotels, Fitnessstudios, Einzelhandelsgeschäften usw.)? Gibt es hier einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG? Steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Vergütung zu?
- NEU Die Behörden schließen einen bestimmten Betrieb bzw. ein bestimmtes Unternehmen – besitzt der Arbeitnehmer dennoch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt?
- Dürfen Arbeitnehmer – ggf. gegen ihren Willen – durch den Arbeitgeber aus allgemeinen Gründen des Infektionsschutzes nach Hause geschickt werden?
- Was ist mit unbezahltem Urlaub während der Coronavirus-Krise?
- Kann der Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn er – etwa aufgrund der Schließung von Kita und Schule – keine Betreuungsmöglichkeit für sein Kind findet? Hat der Arbeitnehmer unter diesen Umständen Anspruch auf Arbeitsentgelt?
- Das Kind des Arbeitnehmers ist an dem Coronavirus erkrankt – was gilt jetzt?
- Was ist, wenn ein Arbeitnehmer zu den Menschen zählt, die als vulnerabel gelten, auf den ÖPNV angewiesen ist und deshalb die Arbeit verweigert? Steht dem Arbeitnehmer ein Vergütungsanspruch zu?
- NEU Kann der Arbeitnehmer Arbeit im sog. Home-Office beanspruchen?
- Kann der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen?
- NEU Wie steht es um den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Einzelbüro?
- Dürfen Arbeitnehmer Dienstreisen verweigern?
- Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer anlasslos (ohne Grund) einen Corona-Test verlangen?
- NEU Was ist, wenn der Arbeitnehmer einen Test auf das Coronavirus, der nach § 28b IfSG verpflichtend ist, verweigert?
- Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen, dass dieser sein Krankheitssymptome zeigendes Kind auf das Coronavirus testen lässt?
- Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Informationen über das Coronavirus, über ggf. erkrankte Mitarbeiter und die damit einhergehenden Gefahren? Was hat der Arbeitgeber sonst zum Schutz der Arbeitnehmer zu tun?
- Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Aufklärung möglicher Infektionsrisiken befragen?
- Kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wegen des Coronavirus kündigen?
- Der Arbeitnehmer stimmt der Einführung von Kurzarbeit im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht zu – gibt es einen Anspruch auf Vertragsanpassung?
- Was ist, wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit kündigt? Welche Kündigungsfrist gilt?
- Muss der Arbeitnehmer wegen der Coronavirus-Pandemie Mehrarbeit leisten?
- NEU Muss der Arbeitnehmer während der Quarantänezeit weiterarbeiten?
- NEU Der Arbeitnehmer hat Urlaub beantragt, der Arbeitgeber hat den Urlaub bewilligt – kann der Arbeitnehmer den Urlaubsantrag wegen des Coronavirus zurücknehmen? / Was ist, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs in Quarantäne muss?
- NEU Erwirbt ein Arbeitnehmer Urlaubsansprüche, wenn seine Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert wurde?
- Kann ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null Urlaub nehmen?
- Wie beeinflusst Kurzarbeit das Urlaubsentgelt?
- Was ist mit einem bereits genehmigten Urlaub und Kurzarbeit 0?
- Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (unentgeltlich) freistellen, wenn dies zum Schutz anderer Arbeitnehmer notwendig ist?
- Was ist mit Arbeitnehmern in Elternzeit? Was ist mit Arbeitnehmern im Beschäftigungsverbot?
- NEU Welche Formulare/Muster/Dokumente sind im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie hilfreich?
- Was ist mit der Möglichkeit der Verleihe von Arbeitnehmern nach AÜG?
- Kann wegen Kurzarbeit im Jahr 2021 das Weihnachtsgeld gekürzt oder sogar gestrichen werden?
- Was ist mit Urlaubsgeld und Corona im Jahr 2021?
- Darf der Arbeitgeber während der Kurzarbeit Überstunden anordnen?
- Innerhalb welcher Zeit muss der Arbeitnehmer nach dem Ende der Kurzarbeit wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren?
- Verliert man den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird?
- Was passiert arbeitsrechtlich, wenn die Corona-App eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus meldet und das Gesundheitsamt eine Absonderung nach IfSG anordnet?
- Was ist, wenn aufgrund einer Meldung durch die Corona-App die zuständige Gesundheitsbehörde lediglich eine Empfehlung ausspricht, dass sich der Arbeitnehmer absondert?
- Darf der Arbeitgeber von Reiserückkehrern einen Corona-Test verlangen?
- Was passiert, wenn ich mich als Arbeitnehmer, dem aus beruflichen Gründen eine Impfung dringend anzuraten ist, nicht impfen lasse?
- NEU Was gilt für Arbeitnehmer, die einer Impfpflicht unterfallen, wenn sie ungeimpft bleiben?
- Wer muss die Schutzmasken (FFP2 und andere) sowie Schutzkleidung zahlen, wenn der Arbeitnehmer diese während der Arbeit tragen muss?
- NEU Ist die Zeit, die der Arbeitnehmer für einen Test im Testzentrum aufbringt, Arbeitszeit? Wer bezahlt die Tests im Testzentrum?
NEU Frage 1: Was ist, wenn ein Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt ist?
Diese Frage ist eine arbeitsrechtlich und sozialrechtlich grundsätzlich einfache Frage. Denn es ist davon auszugehen, dass die Erkrankung an dem Coronavirus in aller Regel zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgeltFG) führt. Dann entfällt die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers (§ 275 BGB). Weiterhin folgt daraus, dass dem Arbeitnehmer dann in der Regel ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EntgeltFG zusteht. Der Anspruch ist grundsätzlich auf einen Zeitraum von sechs Wochen begrenzt. Anschließend erhält der gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer von seiner Krankenkasse Krankengeld entsprechend den einschlägigen Bestimmungen.
Achtung: Das alles dürfte auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer zwar medizinisch nicht mehr als arbeitsunfähig eingestuft wird, wegen eines aber noch bestehenden Infektionsrisikos nicht zur Arbeit gehen kann bzw. gehen darf. Das aber ist schon nicht so eindeutig und es dürfte zudem zu unterscheiden sein. Fehlt es an einer Arbeitsunfähigkeit und besteht lediglich das Risiko einer Übertragung des Virus kann es zu einem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nach dem IfSG kommen, wobei der Arbeitgeber sodann vermutlich einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Gesundheitsbehörde reklamieren kann. Ganz schwierig wird es, wenn ein schuldhaft nicht gegen das Virus Geimpfter erkrankt, ohne arbeitsunfähig zu sein. In diesem Fall lautet unser Rat, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dessen möglichen Entschädigungsanspruch gegenüber der zuständigen Gesundheitsbehörde verweist. Diese Aussagen sind allesamt aktuell nicht rechtssicher geklärt!
NEU Frage 2: Kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfallen, weil den Arbeitnehmer ein Verschulden an seiner Erkrankung trifft?
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ausgeschlossen, wenn ihn ein Verschulden im Sinne des § 3 Abs. 1 EntgeltFG trifft. Das ist immer eine Frage des Einzelfalls. Ob dafür etwa bereits die Erkrankung im Anschluss an eine Reise in ein sog. Virusvariantengebiet oder ein Hochrisikogebiet ausreichend ist, ist derzeit nicht abschließend geklärt (zu den jeweils aktuell ausgewiesenen Virusvariantengebieten bzw. den Hochrisikogebieten siehe die Aufstellung des RKI). In jedem Fall muss es sich um ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers gegen sich selbst handeln. Siehe dazu beispielsweise LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 01.04.2019 – 1 Ta 29/19:
„Bei dem Verschulden im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt es sich nicht um ein Verschulden im Sinne von § 276 BGB, der das Maß an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegenüber Dritten bestimmt. Dagegen betrifft das Entstehen einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein ´Verschulden gegen sich selbst´ vorliegt. Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist – anders als bei der Haftung für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach § 277 BGB – von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten (BAG, Urteil vom 18.03.2015 – 10 AZR 99/14 – Juris Rn. 14). Bei Verkehrsunfällen liegt ein den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließendes Verschulden vor, wenn der Arbeitnehmer seinen Pflichten als Verkehrsteilnehmer vorsätzlich oder in besonders grober Weise fahrlässig missachtet (ErfK-Reinhardt, 19. Auflage, § 3 EFZG, Rn. 26 mwN).“
NEU Frage 3: Führt die Verweigerung des Arbeitnehmers, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, zu einem Wegfall des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
Nein, das ist aktuell so allgemein formuliert nicht der Fall. Mit dem in das IfSG (Infektionsschutzgesetz) eingefügten § 20a IfSG dürfte das aber für bestimmte Personen, nämlich solche, die einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfallen, anders sein (siehe dazu auch nachfolgend Frage 53).
NEU Frage 4: Erhalten Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine Entschädigung?
Ja, das kann sein. Arbeitgeber, die am Umlageverfahren teilnehmen (Umlage U1), erhalten einen Teil der von ihnen in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen ersetzt.
NEU Frage 5: Hat der Arbeitgeber ein Recht auf Mitteilung des Ergebnisses des Tests auf das Coronavirus? Besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitteilung der Krankheitsursache?
Ein negatives Testergebnis wird der Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres dem Arbeitgeber mitteilen müssen. Anders dürfte das aber im Zusammenhang mit § 28b IfSG neuer Fassung zu sehen sein. Wenn dort – im Zusammenhang mit der 3G-Regel am Arbeitsplatz – ein negativer Test Voraussetzung dafür ist, seiner Arbeit nachgehen zu dürfen, muss der Arbeitgeber das Testergebnis abfragen und kontrollieren dürfen. Nur so kann der Arbeitgeber zudem seiner Pflicht zur Dokumentation nachkommen.
Ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er positiv auf das Virus getestet wurde, erscheint nicht klar. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass eine solche Pflicht vor dem Hintergrund der für andere Arbeitnehmer bestehenden Gesundheitsgefahren besteht (so etwa Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 mit Blick auf §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 ArbSchG und § 241 Abs. 2 BGB). Das soll aber schon dann nicht der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der maßgeblichen Inkubationszeit keinen Kontakt zu anderen Arbeitnehmern gehabt hat (Sagen/Brockfeld, a.a.O.).
Allerdings ist die zuständige Gesundheitsbehörde in der Regel ohnehin zu benachrichtigen. Diese wird sodann aller Wahrscheinlichkeit nach an den Arbeitgeber herantreten. So wird der Arbeitgeber in die Lage versetzt, Maßnahmen zu Eindämmung des Virus einzuleiten.
Achtung: Ist der Arbeitnehmer positiv auf das Coronavirus getestet und nimmt er dennoch Kontakt zu anderen Menschen auf woraufhin es zu einer weiteren Ausbreitung des Virus kommt, drohen ggf. empfindliche Strafen. Im Einzelfall kann eine Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht kommen.
Frage 6: Darf der Arbeitgeber die Person des an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmers offenlegen?
Der Arbeitgeber darf die Identität des erkrankten Mitarbeiters nur dann offenlegen, wenn dies zur Eindämmung der Virusübertragung zwingend erforderlich ist (Sagan/Brockfeld, a.a.O.).
Siehe auch nachfolgend Frage 28.
NEU Frage 7: Was gilt, wenn der Arbeitnehmer einfach nur ängstlich ist und deshalb nicht zur Arbeit geht?
Unabhängig davon, dass ein unentschuldigtes Fehlen kündigungsrechtlich relevant sein kann, steht dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall grundsätzlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EntgeltFG (Entgeltfortzahlungsgesetz) zu, denn der Arbeitnehmer ist nicht arbeitsunfähig erkrankt. Im Übrigen scheitert auch ein Anspruch des Arbeitnehmers nach §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB. Erscheint dem Arbeitnehmer die Anreise zum Arbeitsplatz – etwa wegen der notwendigen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel – zu risikoreich, fällt dieses sog. Wegerisiko in die Risikosphäre des Arbeitnehmers (siehe dazu auch Grimm, DB 2020, 1177).
Siehe auch nachfolgend Frage 20.
Achtung: In jedem Fall hat der Arbeitgeber in zumutbarem Umfang darauf zu achten, die Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie gesundheitliche Schäden erleiden. Diese Pflicht besteht unabhängig von einer Coronavirus-Epidemie. Im Übrigen sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer aktuell grundsätzlich verpflichtet, von der etwaig bestehenden Möglichkeit eines Homeoffice-Arbeitsplatzes Gebrauch zu machen. Siehe dazu § 28b Abs. 4 IfSG:
„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.“
„Zwingende betriebliche Gründe“ sind nach Begrünung des Gesetzes solche, bei denen ansonsten die betrieblichen Abläufe erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrecht erhalten werden könnten (siehe dazu auch Jahn, DB 2021, 2970 (2970).
Siehe zum Homeoffice auch nachfolgend Frage 21.
Zur Einhaltung von Arbeitsschutzstandards während der Coronavirus-Pandemie durch den Arbeitgeber siehe auch den Beitrag von Müller-Bonanni/Bertke in NJW 2020, 1617.
NEU Frage 8: Der nicht erkrankte Arbeitnehmer muss aufgrund behördlicher Anweisung zu Hause bleiben (sog. Quarantäne) – was gilt? / Hat der Arbeitnehmer im Falle einer durch die Behörden angeordneten Quarantäne Anspruch auf Vergütung?
Hier erscheint der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EntgeltFG ausgeschlossen. Denn der Arbeitnehmer ist nicht arbeitsunfähig erkrankt. Es kommen aber gegenüber der öffentlichen Hand und gegenüber dem Arbeitgeber Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Betracht. Demnach ist der Arbeitgeber hinsichtlich des Arbeitsentgelts grundsätzlich vorleistungspflichtig, dies bis zu einer Gesamtdauer von sechs Wochen. Der Arbeitgeber kann dann einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen. Siehe dazu im Einzelnen § 56 IfSG.
Achtung: Nach § 56 Abs. 1 IfSG besteht in bestimmten Fällen kein Anspruch auf Entschädigung. Das betrifft in erster Linie Ungeimpfte und ggf. solche, die in ein Risikogebiet reisen. Der Normtext (§ 56 Abs. 1 Sätze 4 und 5) dazu lautet:
„Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Eine Reise ist im Sinne des Satzes 4 vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen.“
NEU Frage 9: Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitnehmer ihm den Impfpass zeigt?
Nein, ein solches Recht gibt es grundsätzlich nicht. Allerdings ist der Arbeitgeber – etwa im Zusammenhang mit der 3G-Regel am Arbeitsplatz (§ 28b IfSG) – rechtlich verpflichtet, eine etwaig notwendige Erfüllung der Verpflichtung des Arbeitnehmers sich testen zu lassen, zu prüfen. Von dieser Testpflicht ist der Arbeitnehmer in aller Regel nur dann befreit, wenn er nachweisen kann, dass er geimpft oder genesen ist. In diesem Sinne besteht dann in zahlreichen Fällen eine Art „mittelbarer Anspruch“ des Arbeitgebers auf Auskunft und Nachweis einer Impfung des Arbeitnehmers. Im Ergebnis gilt das ebenso, wenn es um die Frage geht, ob der Arbeitnehmer als genesen betrachtet werden darf.
Beachten Sie in diesem Zusammenhang § 28b Abs. 3 IfSG:
„Alle Arbeitgeber sowie die Leitungen der in Absatz 2 Satz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen sind verpflichtet, die Einhaltung der Verpflichtungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 durch Nachweiskontrollen täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren. Alle Arbeitgeber und jeder Beschäftigte sowie Besucher der in Absatz 2 Satz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen sind verpflichtet, einen entsprechenden Nachweis auf Verlangen vorzulegen. Soweit es zur Erfüllung der Pflichten aus Satz 1 erforderlich ist, darf der Arbeitgeber sowie die Leitung der in Absatz 2 Satz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen zu diesem Zweck personenbezogene Daten einschließlich Daten zum Impf-, Sero- und Teststatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten. Die Daten dürfen auch zur Anpassung des betrieblichen Hygienekonzepts auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung gemäß den §§ 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes verwendet werden, soweit dies erforderlich ist. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend. Die zuständige Behörde kann von jedem Arbeitgeber sowie von den Leitungen der in Absatz 2 Satz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen die zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte verlangen. Voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, der zuständigen Behörde monatlich Angaben zum Anteil der Personen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, jeweils bezogen auf die Personen, die in der Einrichtung beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind, in anonymisierter Form zu übermitteln. Sonstige in Absatz 2 Satz 1 genannte Einrichtungen oder Unternehmen sind verpflichtet, der zuständigen Behörde auf deren Anforderung Angaben zum Anteil der Personen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, in Bezug auf die Personen, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt sind, in anonymisierter Form zu übermitteln. Voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen dürfen den Impfstatus der Personen, die dort behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind, erheben; diese Daten dürfen nur zur Beurteilung der Gefährdungslage in der Einrichtung oder dem Unternehmen im Hinblick auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) und zur Vorbereitung der Berichterstattung nach Satz 7 verarbeitet werden und nur solange und soweit dies erforderlich ist. Die nach den Sätzen 3 und 9 erhobenen Daten sind spätestens am Ende des sechsten Monats nach ihrer Erhebung zu löschen; die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts bleiben unberührt.“
Siehe auch § 36 Abs. 3 IfSG:
„Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und unabhängig davon bis zum Ablauf des 19. März 2022 darf der Arbeitgeber, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“
- 36 Abs. 1 und 2 IfSG lauten:
„(1) Folgende Einrichtungen und Unternehmen müssen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen und unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt:
- die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen mit Ausnahme der Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2,
- nicht unter § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen,
- Obdachlosenunterkünfte,
- Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern,
- sonstige Massenunterkünfte,
- Justizvollzugsanstalten sowie
- nicht unter § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbare Dienstleistungen anbieten; Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne von § 45a Absatz 1 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zählen nicht zu den Dienstleistungen, die mit Angeboten in Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbar sind.
(2) Einrichtungen und Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sowie Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2 können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.“
Siehe auch nachfolgend Frage 10.
NEU Frage 10: Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach dem Impfstatus sowie dem sog. Serostatus fragen?
Diese Frage ist ähnlich der Frage zuvor zu beantworten. Eine umfassendes Fragerecht besteht nicht. Dennoch wird man auch in diesem Zusammenhang einer Art „mittelbares Recht auf Erkundigung“ annehmen dürfen.
Siehe auch § 36 Abs. 3 IfSG:
„Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und unabhängig davon bis zum Ablauf des 19. März 2022 darf der Arbeitgeber, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“
- 36 Abs. 1 und 2 IfSG lauten:
„(1) Folgende Einrichtungen und Unternehmen müssen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen und unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt:
- die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen mit Ausnahme der Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2,
- nicht unter § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen,
- Obdachlosenunterkünfte,
- Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern,
- sonstige Massenunterkünfte,
- Justizvollzugsanstalten sowie
- nicht unter § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbare Dienstleistungen anbieten; Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne von § 45a Absatz 1 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zählen nicht zu den Dienstleistungen, die mit Angeboten in Einrichtungen nach Nummer 2 vergleichbar sind.
(2) Einrichtungen und Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sowie Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2 können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.“
NEU 11: Darf der (potentielle) Arbeitgeber einen Bewerber deshalb ablehnen, weil dieser ungeimpft ist?
Diese Frage kann nicht für alle Fälle einheitlich beantwortet werden. Zunächst müsste man der Frage nachgehen, ob sich der Arbeitgeber nach dem Impfstatuts eines Bewerbers erkundigen darf. Das kann durchaus der Fall sein (siehe dazu auch schon die vorhergehende Frage 10). Darf die Frage gestellt werden, kann die Beantwortung der Frage durch den Bewerber ein rechtlich zulässiges Kriterium bei der Entscheidung des Arbeitgebers darüber sein, den Arbeitnehmer nicht einzustellen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den Arbeitgeber grundsätzlich keine Pflicht trifft, dem (abgelehnten) Bewerber Auskunft darüber zu erteilen, aus welchen Gründen es nicht zur Einstellung des Bewerbers gekommen ist.
Achtung: Soweit § 20a IfSG eine einrichtungsbezogene Impfplicht vorsieht, dürfte der Umstand, geimpft zu sein, eine Art „Einstellungsvoraussetzung“ darstellen.
Frage 12: Welche Rolle spielt § 616 BGB?
Das Verhältnis zwischen dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), dort insbesondere § 56 IfSG, und § 616 BGB ist nicht vollständig geklärt. Es sieht so aus, dass die Behörden zum Teil für die Zeit einer Quarantäne, die unter das IfSG fällt, den Arbeitgeber der betroffenen Arbeitnehmer – zumindest zeitweise – für allein verantwortlich halten. Das jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Ansprüche des Arbeitnehmers nach § 616 BGB nicht wirksam ausgeschlossen hat, vor allem durch entsprechende Festlegungen im Arbeitsvertrag.
Wir halten diese Sicht der Behörden für falsch. Wir sind der Auffassung, dass der Arbeitgeber während der ersten sechs Wochen der Quarantäne letztlich nur eine Pflicht der Behörde erfüllt. Der Arbeitgeber leistet mithin anstelle der Behörde. Damit kommt es unseres Erachtens auf § 616 BGB im Ergebnis nicht an.
Einzuräumen ist, dass für die Auffassung der Behörden eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1978 zu sprechen scheint. Seinerzeit hat der BGH zu der Vorgängervorschrift von § 56 IfSG, dem damaligen § 49 Bundesseuchengesetz, wie folgt entschieden (BGH, Urt. v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – BGHZ 73, 16 = NJW 1979, 422 = MDR 1979, 381 = DB 1979, 1367):
Steht einem Arbeitnehmer, gegen den ein seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbot verhängt worden ist, für den Verbotszeitraum ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 6l6 Abs. 1 BGB zu, so besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs. 1 BSeuchG nicht. Daher kann der Arbeitgeber eine Erstattung des fortgezahlten Arbeitslohns nach § 49 Abs. 4 Satz 2 BSeuchG nicht beanspruchen.
Siehe dazu auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 18.05.1966 – 11 b S 43/66, DB 1966, 1053.
Uns überzeugt der Standpunkt der Behörden dennoch nicht. Hinsichtlich der Entscheidung des BGH ist zu bedenken, dass diese mehr als 40 Jahre zurückliegt und im Ergebnis maximal einen Zeitraum von 10 Tagen bzw. 2 Wochen umfassen würde (anders allerdings der BGH, der einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen als unerhebliche Zeit i.S.d. § 616 angesehen hat!). D.h.: Würde § 616 BGB tatsächlich maßgeblich sein, hätte der Arbeitgeber höchstens für einen Zeitraum von zwei Wochen die Last der Entgeltfortzahlung allein zu tragen (nach anderer Auffassung nur für max. 5 Arbeitstage). Würde der Zeitraum überschritten, bestünde gar kein Anspruch aus § 616 BGB, denn die Erheblichkeitsschwelle in § 616 BGB ist sog. Tatbestandsmerkmal. Danach kämen auf jeden Fall Entschädigungsansprüche des Arbeitgebers gegenüber den Behörden in Betracht, wenn die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird (siehe dazu auch Grimm, DB 2020, 1177, 1180).
Grimm möchte differenzieren (Grimm, DB 2020, 1177, 1179): Betrifft die Virusinfektion einen einzelnen Arbeitnehmer oder jedenfalls eine überschaubare Zahl von Beschäftigten, soll § 616 BGB grundsätzlich einschlägig sein, allerdings auch nur dann, wenn die erwähnte Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten wird. Liegt hingegen eine allgemeine Untersagung des Betriebs seitens der Behörden vor, handele es sich um einen nicht auf einen einzelnen Arbeitnehmer beziehbaren, vielmehr objektiven Verhinderungsgrund, der von § 616 BGB nicht umfasst sei (Grimm, a.a.O.). Dann sei § 56 IfSG vorrangig.
Siehe auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 05.05.2021 – B 7 K 21.210: Eine fünfzehntägige Quarantäne überschreitet in aller Regel die Grenze der „verhältnismäßig nicht erheblichen“ Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB. Damit besteht grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers nach §§ 56, 57 IfSG gegenüber der Gesundheitsbehörde.
VG Koblenz, Urt. v. 10.05.2021 – 3 K 107/21; 3 K 108/21: Ein Arbeitgeber hat keinen Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn der Arbeitnehmer während einer 14-tägigen häuslichen Absonderung gegen ihn einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.
NEU Frage 13: Was ist, wenn das nicht erkrankte Kind eines Arbeitnehmers unter Quarantäne gestellt wird und der Arbeitnehmer niemanden hat, der sich um das Kind kümmern kann?
Dann wird vermutlich § 45 SGB V und dort vor allem Abs. 2a maßgeblich sein. Danach dürfte in dem durch das Gesetz beschriebenen Umfang ein Anspruch auf Krankengeld bestehen.
„(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 besteht der Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 für das Kalenderjahr 2021 für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 130 Arbeitstage. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht für das Kalenderjahr 2021 auch dann, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen werden, oder deren Betreten, auch auf Grund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird, oder das Kind auf Grund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht. Die Schließung der Schule, der Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder der Einrichtung für Menschen mit Behinderung, das Betretungsverbot, die Verlängerung der Schul- oder Betriebsferien, die Aussetzung der Präsenzpflicht in einer Schule, die Einschränkung des Zugangs zum Kinderbetreuungsangebot oder das Vorliegen einer behördlichen Empfehlung, vom Besuch der Einrichtung abzusehen, ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen.“
Im Übrigen gilt nach § 45 Abs. 2b SGB V:
„(2b) Für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2a Satz 3 ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Absatz 1a des Infektionsschutzgesetzes.“
Siehe auch nachfolgend Frage 18 sowie die Frage-und-Antworten-Liste der AOK, deren Richtigkeit wir nicht versichern können.
NEU Frage 14: Was ist bei generellen Maßnahmen der Bundesländer zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie (Beispiele: Schließung von Gaststätten, Hotels, Fitnessstudios, Einzelhandelsgeschäften usw.)? Gibt es hier einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG? Steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Vergütung zu?
a) Generelle Maßnahmen der Bundesländer – Anspruch nach § 56 IfSG?
Es ist unter Juristen derzeit umstritten, ob die Maßnahmen der Bundesländer, die mit Betriebsschließungen einhergehen, rechtlich wirksam (gewesen) sind. Soweit ersichtlich sind alle bislang angestrengten Gerichtsverfahren zugunsten der öffentlichen Hand ausgegangen. Ein Anspruch nach § 56 IfSG oder auch nach § 56 IfSG analog bestände demnach nicht. Es kann aber derzeit nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass zukünftig höchstrichterlich anders entschieden werden wird.
b) Gibt es einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nach flächendeckenden Betriebsschließungen („Lockdown“), angeordnet durch die Bundesländer?
Nein, das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urt. v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21):
„Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen ´Lockdowns´ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.“
Das Gericht stellt sich damit gegen eine bis zur Veröffentlichung des Urteils bekannte, herrschende Auffassung. Arbeitgebern, die in der Vergangenheit Arbeitsentgelt gezahlt haben, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein, steht somit grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Geldes gegenüber ihren – ggf. vormaligen – Arbeitnehmern zu. In diesem Zusammenhang sind aber eine ganze Reihe weiterer Rechtsfragen ungeklärt (problematisch erscheinen unter anderem Fragen des Verfalls sowie einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB).
Siehe auch die nachfolgende Frage 15.
NEU Frage 15: Die Behörden schließen einen bestimmten Betrieb bzw. ein bestimmtes Unternehmen – besitzt der Arbeitnehmer dennoch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt?
Wahrscheinlich ja. Denn eine solche behördliche Maßnahme stellt einen Fall des sog. Betriebsrisikos dar. Daran hat die Entscheidung des BAG wohl nichts geändert (siehe dazu die vorhergehende Frage 14). Hier behält der Arbeitnehmer auch ohne eigene Arbeitsleistung seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt (ebenso Benkert, NJW-Spezial 2020, 306). Davon unabhängig sind Ansprüche nach dem IfSG zu prüfen, insbesondere aber ist in einem solchen Fall der Bezug von Kurzarbeitergeld (KuG bzw. Kug) ins Auge zu fassen.
Frage 16: Dürfen Arbeitnehmer – ggf. gegen ihren Willen – durch den Arbeitgeber aus allgemeinen Gründen des Infektionsschutzes nach Hause geschickt werden?
Den Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine sog. Beschäftigungspflicht. Schickt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich aus allgemeinen Gründen des Infektionsschutzes nach Hause, bleibt der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet (§§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 und 3 BGB; siehe dazu auch Grimm, DB 2020, 1177). Sog. Zwangsurlaub ist grundsätzlich nicht möglich bzw. rechtlich nicht zulässig (ebenso Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1115).
Das Arbeitsgericht Dortmund hat entschieden, dass einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Vergütung zusteht, wenn der Arbeitgeber aus eigenem Antrieb heraus eine Quarantäne anordnet, ohne das dies von den Gesundheitsbehörden verlangt worden wäre (ArbG Dortmund, Urt. v. 24.11.2020 – 5 Ca 2057/20).
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gutschrift der dem Positivsaldo des Arbeitszeitskontos abgezogenen 62 Stunden und 45 Minuten für die von der Beklagten angeordnete Quarantäne im Zeitraum zwischen dem 16.03.2020 und dem 30.03.2020 in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe von 62 Stunden und 45 Minuten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag i. V. m. den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre i. V. m. § 615 S. 1 u. 3 BGB.“
Natürlich können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich jederzeit über Urlaub und Überstundenabbau verständigen. Ggf. kann der Arbeitgeber einen Überstundenabbau auch ohne eine entsprechende Zustimmung des Arbeitnehmers anordnen. Gleiches gilt für eine etwaig durch den Arbeitgeber gewünschte Ausbezahlung von in der Vergangenheit durch den Arbeitnehmer geleisteten Überstunden. Hier kommt es immer auf den Einzelfall an!
Achtung: Im Hinblick auf das KuG (Kurzarbeitergeld) sind beim Urlaub bzw. Resturlaub ggf. Besonderheiten zu beachten. Wir gehen davon aus, dass der Arbeitnehmer im Hinblick auf das KuG rechtlich verpflichtet ist, jedenfalls eventuelle Resturlaubsansprüche aus zeitlich abgeschlossenen Vorjahren vor dem Bezug von KuG zu nehmen.
Frage 17: Was ist mit unbezahltem Urlaub während der Coronavirus-Krise?
Unbezahlter Urlaub bzw. eine unbezahlte Freistellung kommen grundsätzlich in Betracht. Das verlangt aber eine wirksame Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Je nach Dauer der unbezahlten Freistellung muss auf den etwaigen Verlust von Versicherungsschutz – unter anderem in der gesetzlichen Krankenversicherung – geachtet werden!
Eine einseitige Anordnung von Urlaub seitens des Arbeitgebers ist rechtlich grundsätzlich nicht möglich (siehe dazu auch schon vorangehend Frage 16).
Achtung: Die unbezahlte Freistellung ist für den betroffenen Arbeitnehmer nachteilig. Es wäre daher aus unserer Sicht im Regelfall vorrangig an Kurzarbeit zu denken!
Frage 18: Kann der Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn er – etwa aufgrund der Schließung von Kita und Schule – keine Betreuungsmöglichkeit für sein Kind findet? Hat der Arbeitnehmer unter diesen Umständen Anspruch auf Arbeitsentgelt?
Siehe dazu in erster Linie § 45 SGB V sowie unsere Ausführungen zu oben Frage 13. Im Übrigen kann auch § 56 IfSG einschlägig sein. Wegen § 45 Abs. 2b SGB V ist aber der Anspruch nach SGB V vorrangig.
Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber einem Antrag des Arbeitnehmers auf Gewähr von Urlaub entsprechen.
Frage 19: Das Kind des Arbeitnehmers ist an dem Coronavirus erkrankt – was gilt jetzt?
Dieser Fall unterscheidet sich nicht von allen anderen Fällen, in denen der Arbeitnehmer wegen seines erkrankten Kindes nicht zur Arbeit gehen kann (siehe dazu § 616 BGB und § 45 SGB V und Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1114).
Frage 20: Was ist, wenn ein Arbeitnehmer zu den Menschen zählt, die als vulnerabel gelten, auf den ÖPNV angewiesen ist und deshalb die Arbeit verweigert? Steht dem Arbeitnehmer ein Vergütungsanspruch zu?
Ist ein Arbeitnehmer als vulnerabel anzusehen, insbesondere deshalb weil er an einer oder gar mehreren Vorerkrankungen leidet, wird man davon ausgehen können, dass er in zahlreichen Fällen das Recht besitzt, der Arbeit fernzubleiben, wenn es ihm unter diesen Umständen nicht zumutbar ist, zur Arbeit zu erscheinen (§ 275 Abs. 3 BGB). Das gilt jedenfalls solange, wie sich nicht durch einen umfassenden Impfschutz das Krankheitsrisiko weitgehend begrenzen lässt.
Eine andere Frage ist die nach der Vergütung des Arbeitnehmers. Wir gehen davon aus, dass sich in den hier beschriebenen Fällen grundsätzlich das sog. Wegerisiko verwirklicht. Dieses hat der Arbeitnehmer zu tragen (für die hier angesprochenen Fälle im Grundsatz ebenso Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1114). Daher entfällt in der Regel der Anspruch auf Vergütung (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Siehe dazu auch Grimm, DB 2020, 1177.
Etwas anderes mag dann gelten, wenn die Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes möglich ist (siehe dazu auch nachfolgend Frage 21).
NEU Frage 21: Kann der Arbeitnehmer Arbeit im sog. Home-Office beanspruchen?
Unabhängig von allen anderem kann der Arbeitnehmer eine Arbeit im Home-Office beanspruchen, wenn es eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt.
Siehe auch § 28b Abs. 4 IfSG:
„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.“
Frage 22: Kann der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen?
Siehe dazu die Ausführungen zu Frage 21.
NEU Frage 23: Wie steht es um den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Einzelbüro?
Soweit der Infektionsschutz das gebietet, kann ein solcher Anspruch in Betracht kommen. Natürlich unter Beachtung der dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden tatsächlichen Möglichkeiten.
Frage 24: Dürfen Arbeitnehmer Dienstreisen verweigern?
Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer keine Dienstreisen verweigern (§ 106 GewO und § 315 BGB, sog. Weisungsrecht oder auch Direktionsrecht des Arbeitgebers). Das kann aber anders sein, wenn der Arbeitgeber eine Dienstreise in ein solches Gebiet verlangt, das im Hinblick auf das Coronavirus mit besonderen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Dann kann ein Recht des Arbeitnehmers bestehen, die Weisung des Arbeitgebers nicht zu befolgen. In diesem Zusammenhang dürften auch offizielle Reisewarnungen der Behörden vor Reisen in bestimmte Regionen auf der Welt von Bedeutung sein.
Achtung: Es gelten zum Teil Reisewarnungen der Bundesregierung (Ausweisung internationaler Risikogebiete). Diese betreffen erster Linie touristische Reisen. Es dürfte aber auch für Dienstreisen gelten, dass diese nur in (eng) begrenzten Ausnahmefällen durch den Arbeitgeber angewiesen werden dürfen.
Siehe zu diesem Fragenkomplex die Ausführungen von Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1115.
Frage 25: Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer anlasslos (ohne Grund) einen Corona-Test verlangen?
Nein, das ist grundsätzlich nicht der Fall. Besteht seitens des Arbeitgebers aber der begründete Verdacht, dass eine Infektion mit dem Coronavirus stattgefunden hat, kann der Arbeitgeber die Vorlage eines ärztlichen, ggf. amtsärztlichen Attests begehren oder eine betriebsärztliche Untersuchung verlangen (so Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113).
Siehe im Übrigen zur Testpflicht aktuell § 28b IfSG und dazu nachfolgend Frage 26!
NEU Frage 26: Was ist, wenn der Arbeitnehmer einen Test auf das Coronavirus, der nach § 28b IfSG verpflichtend ist, verweigert?
Verweigert der Arbeitnehmer einen nach § 28b IfSG erforderlichen Test auf das Coronavirus, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht arbeiten lassen. Der Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt.
Siehe auch ArbG Hamburg, Urt. v. 24.11.2021 – 27 Ca 208/21: Kraftfahrer im öffentlichen Personennahverkehr verstoßen gegen arbeitsrechtliche Pflichten, wenn sie einen betrieblichen Corona-Schnelltest verweigern. Der erstmalige Pflichtenverstoß berechtigt den Arbeitgeber lediglich zum Ausspruch einer Abmahnung.
Frage 27: Darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen, dass dieser sein Krankheitssymptome zeigendes Kind auf das Coronavirus testen lässt?
Nein, grundsätzlich kann der Arbeitgeber das nicht verlangen. Wie zu entscheiden ist, wenn der begründete Verdacht einer Infektion mit dem Coronavirus besteht, scheint uns derzeit nicht geklärt. Ggf. darf der Arbeitgeber die ihm durch den Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung verweigern. Dann würde auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung entfallen. Das ist aber immer eine Frage des Einzelfalls.
Frage 28: Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Informationen über das Coronavirus, über ggf. erkrankte Mitarbeiter und die damit einhergehenden Gefahren? Was hat der Arbeitgeber sonst zum Schutz der Arbeitnehmer zu tun?
Siehe dazu zunächst die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV).
Des weiteren ist u.a. an § 12 Abs. 1 Satz 4 ArbSchG, an § 81 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BetrVG zu § 618 BGB zu denken.
- 12 Abs. 1 ArbSchG lautet:
Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfaßt Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung muß bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen. Die Unterweisung muß an die Gefährdungsentwicklung angepaßt sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.
Im Einzeln ist denkbar und ggf. notwendigerweise zu beachten (siehe auch Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113):
- Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinem Arbeitgeber auf Unterrichtung und Beratung
- Durchführung von Maßnahmen zur Sicherstellung von Hygienerichtlinien (Abstandsregelungen, Hinweis auf das richtige Verhalten bei Husten und Niesen, Verbot, Hände zu schütteln)
- Veränderung des Arbeitsorts, unter Umständen Einräumung eines Home-Office-Arbeitsplatzes (siehe dazu § 28 Abs. 4 IfSG)
- Schließung von Gemeinschaftsräumen, ggf. Sicherstellung einer nur eingeschränkten Nutzung
- Schaffung von Barrieren (Schutz vor der Virusübertragung durch Plexiglasscheiben o.ä.)
- Sicherstellung von Hygienemaßnahmen wie Reinigung von Räumlichkeiten, Desinfektion, Lüften von Räumen; Zurverfügungstellen von Schutzkleidung
- Ggf. besondere Schutzmaßnahmen für Risikogruppen (vgl. § 4 Nr. 6 ArbSchG)
Trifft der Arbeitgeber nur unzureichend Maßnahmen zum Schutz betroffener Arbeitnehmer, besitzt der Arbeitnehmer das Recht, seine Arbeitsleistung zurückzubehalten (§ 273 Abs. 1 BGB). Sein Anspruch auf Vergütung bleibt dann bestehen (§§ 611a Abs. 2, 615 Satz BGB; siehe auch Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1114).
Zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie siehe auch den Beitrag von Lutz/Born in DB 2020, 1162 ff.
Frage 29: Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Aufklärung möglicher Infektionsrisiken befragen?
Die Beantwortung dieser Frage wird davon abhängig sein, was der Arbeitgeber wissen möchte. Ein allgemeines Auskunftsrecht des Arbeitgebers etwa danach, wo sich der Arbeitnehmer aufgehalten und mit wem er sich getroffen hat, besteht nicht!
Zulässige Fragen (immer einzelfallabhängig!) können sein:
- Die Frage, ob der Arbeitnehmer in jüngerer Zeit Kontakt zu einer erkrankten Person gehabt hat.
- Die Frage, ob sich der Arbeitnehmer in jüngerer Zeit in einer Region aufgehalten hat, die besondere und im Hinblick auf Covid-19 besondere Gesundheitsrisiken aufweist.
In diesen Fällen müsste unserer Auffassung nach der an sich beachtenswerte Datenschutz zurücktreten.
Siehe dazu auch den Aufsatz von Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, die in diesem Zusammenhang unter anderem auf § 618 Abs. 1 BGB und § 3 Abs. 1 ArbSchG aufmerksam machen.
Frage 30: Kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wegen des Coronavirus kündigen?
Ja, diese Möglichkeit besteht grundsätzlich. Allerdings kommt es sehr auf den Einzelfall an.
In sog. Kleinbetrieben (sieht dazu § 23 KSchG) ist eine ordentliche, d.h. fristgemäße Kündigung eines Arbeitsverhältnisses meist rechtlich bzw. arbeitsrechtlich kein großes Problem. Eine außerordentliche, fristlose Kündigung wird aber juristisch nicht in Betracht kommen.
Ungleich schwieriger wird das, wenn das KSchG Anwendung findet. Dann bedarf es nämlich eines rechtlich anerkannten Kündigungsgrundes. Es besteht zwar etwa die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes. Ob dafür aber ein – meist nur zeitlich begrenzter – Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten des Arbeitgebers, ausgelöst durch das Coronavirus, reicht, erscheint zweifelhaft. Daher ist rechtzeitiger anwaltlicher Rat dringend erforderlich.
Zur betriebsbedingten Kündigung trotz Kurzarbeit siehe auch den Beitrag von Benkert in NJW-Spezial 2020, 690 f.
Siehe auch den Aufsatz von Kempter in DB 2021, 229 ff. [„Personalabbau – Ablauf, Struktur und Probleme (Teil 1)“].
Frage 31: Der Arbeitnehmer stimmt der Einführung von Kurzarbeit im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht zu – gibt es einen Anspruch auf Vertragsanpassung?
Zu denken ist an § 313 BGB. Diese Bestimmung lautet:
- 313 Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
Die aktuelle Krise um das Coronavirus ist ein Umstand, den keine der Arbeitsvertragsparteien vorausgesehen hat. Dies betrifft insbesondere die Tätigkeitsverbote und der damit einhergehende Fortfall der Beschäftigungsmöglichkeit. So wird bei hoheitlichen Eingriffen von einer Änderung der Geschäftsgrundlage auszugehen sein. Es kann unterstellt werden, dass sich bei entsprechender Kenntnis beide Vertragsparteien auf ein Einverständnis mit der Einführung von Kurzarbeit eingelassen hätten.
Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob dem Arbeitgeber dies in der konkreten Situation hilft. Nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit ist für den Antrag auf Kurzarbeit der Nachweis erforderlich, dass die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das heißt, es muss eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer nachgewiesen werden.
- 313 BGB, der einen Anspruch Vertragsanpassung unter bestimmten Umständen gibt, führt nicht dazu, dass der Vertrag automatisch angepasst wird, wenn die geforderten Voraussetzungen vorliegen. Vielmehr gibt es einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsanpassung. Diese muss notfalls gerichtlich geltend gemacht werden. Da es um die Abgabe einer Willenserklärung geht (Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit), gilt eine entsprechende Erklärung als mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben (§ 894 ZPO).
Angesichts der derzeitigen Situation vor den Gerichten ist die Frage, wie lange es dauert, eine entsprechende gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Dann sind mehrere Monate möglicherweise vorbei und der Bezug von Kurzarbeitergeld hat sich wahrscheinlich erledigt. Erst dann liegt die Zustimmung vor.
Schon aus praktischen Erwägungen heraus, scheint § 313 BGB daher keine Lösung für den Arbeitgeber zu sein, um die Arbeitnehmer zur Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit zu bewegen, die ihre Zustimmung nicht freiwillig erteilen. Es bleibt dann nur der Weg der Änderungskündigung mit den dann zu beachtenden langen bzw. längeren Kündigungsfristen.
Frage 32: Was ist, wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit kündigt? Welche Kündigungsfrist gilt?
Hier gelten keine Besonderheiten. Es gelten die allgemeine arbeitsrechtlichen Regeln. Die Kündigungsfrist beurteilt sich grundsätzlich nach § 622 BGB, wenn der Arbeitsvertrag oder ein etwaig anwendbarer Tarifvertrag keinen anderen Regeln vorsehen, insbesondere längere Kündigungsfristen aufweisen.
Achtung: Kündigt der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit, kann mit Zugang der Kündigung beim Arbeitgeber durch diesen kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld mehr geltend gemacht werden!
Frage 33: Muss der Arbeitnehmer wegen der Coronavirus-Pandemie Mehrarbeit leisten?
Hier gelten keine anderen Regeln als die, die auch sonst arbeitsrechtlich zu beachten sind. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer unter engen Voraussetzungen nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein kann, Mehrarbeit zu leisten, natürlich bei entsprechender Vergütung bzw. bezahlter Freistellung (so auch Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1115).
Beachten Sie in diesem Zusammenhang auch § 14 Abs. 4 ArbZG.
Achtung: Mehrarbeit und der gleichzeitige Bezug von Kurzarbeitergeld verbieten sich in aller Regel. Hier kann Strafbarkeit drohen (sieh auch nachfolgend Frage 46)!
NEU Frage 34: Muss der Arbeitnehmer während der Quarantänezeit weiterarbeiten?
Muss sich der Arbeitnehmer während Quarantäne-Maßnahme zu Hause aufhalten und ist eine Arbeit im Homeoffice möglich, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, diese Möglichkeit zu nutzen, wenn ihm dies zumutbar ist. Gleiches gilt, wenn dem Arbeitnehmer eine mobile Arbeit (Mobile Office) an einem anderen Ort der Quarantäne möglich und zumutbar ist. Ansonsten entfällt die Arbeitspflicht umfassend erst dann, wenn er infolge der Erkrankung arbeitsunfähig wird.
NEU Frage 35: Der Arbeitnehmer hat Urlaub beantragt, der Arbeitgeber hat den Urlaub bewilligt – kann der Arbeitnehmer den Urlaubsantrag wegen des Coronavirus zurücknehmen? / Was ist, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs in Quarantäne muss?
- Kann der Arbeitnehmer den Urlaubsantrag wegen des Coronavirus zurücknehmen?
Wenn dem Arbeitnehmer nicht mehr nach Urlaub ist, weil er bedingt durch die Coronavirus-Pandemie gewissen Beschränkungen in seiner Bewegungsfreiheit ausgesetzt ist, ändert dies nichts daran, dass er sich im Erholungsurlaub befindet bzw. befinden wird. Ein einmal gewährter Urlaub kann durch den Arbeitnehmer nicht (einseitig) rückgängig gemacht werden.
Wenn der Arbeitnehmer den Urlaub etwa im Ausland verplant hatte und sich dieser Plan nunmehr zerschlagen hat, ändert sich an unserer Antwort nichts. Anders ist das, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich auf eine Verlegung des Urlaubs einigen.
- Quarantäne und Urlaub
Wenn der Arbeitnehmer während eines vom Arbeitgeber bewilligten Urlaubs in eine durch staatliche Behörden angeordnete Quarantäne muss, ändert das am Urlaub nichts. Insofern unterscheidet sich dieser Fall von dem Fall, in dem der Arbeitnehmer während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt (siehe dazu § 9 BUrlG). Die Ausnahmevorschrift des § 9 BUrlG ist nicht auf andere Fälle übertragbar.
Achtung: Diese Auffassung ist umstritten! Bayreuther in NZA 2020, 1057 (1062) vertritt einen anderen Standpunkt. Nach seiner Auffassung kann Urlaub während einer Quarantäne nicht genommen werden, sodass im Ergebnis eine „Urlaubsgutschrift“ erfolgen muss. Der hier vertretene Standpunkt wird u.a. geteilt von Hein/Tophof in NZA 2021, 601 ff. [„Keine analoge Anwendung von § 9 BUrlG“].
Letztlich muss diese Frage durch die Gerichte entschieden werden.
Siehe dazu auch ArbG Bonn, Urt. v. 07.07.2021 – 2 Ca 504/21: Ein Arbeitnehmer, der wegen einer Coronavirus Infektion während seines Erholungsurlaubs in Quarantäne muss, hat keinen Anspruch auf Nachgewährung bzw. Neugewährung von Urlaub für die Tage, die er in Quarantäne verbracht hat.
Siehe auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2021 – 7 Sa 857/21 [Pressemitteilung]:
„Die Klägerin, eine Maschinenbedienerin in einem Produktionsbetrieb, befand sich in der Zeit vom 10.12.2020 bis zum 31.12.2020 in bewilligtem Erholungsurlaub. Nach einem Kontakt mit ihrer mit COVID-19 infizierten Tochter ordnete das Gesundheitsamt zunächst eine häusliche Quarantäne bis zum 16.12.2020 an. Bei einer Testung am 16.12.2020 wurde bei der Klägerin eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Daraufhin ordnete das Gesundheitsamt für die Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2020 häusliche Quarantäne vom 06.12.2020 bis zum 23.12.2020 an. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Klägerin als Kranke im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Klägerin nicht ausstellen.
Die Klägerin verlangt von ihrer Arbeitgeberin die Nachgewährung von zehn Urlaubstagen für die Zeit vom 10.12.2020 bis 23.12.2020. Sie meint, diese seien wegen der durch das Gesundheitsamt verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, dass sie den Urlaubsanspruch der Klägerin auch in diesem Zeitraum erfüllt habe. Der Landschaftsverband lehne in derartigen Fällen Erstattungsanträge mit der Begründung ab, dass für bereits genehmigten Urlaub kein Verdienstausfall entstehe und die Voraussetzung für eine Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz deshalb nicht erfüllt sei.
Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsgericht Oberhausen die Klage abgewiesen und dies mit der gesetzlichen Regelung in § 9 BUrlG begründet. Die Vorschrift unterscheidet zwischen Erkrankung und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe sind nicht gleichzusetzen. Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubstage bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es hier. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an COVID-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin und dies durch einen Arzt wurde nicht vorgenommen.
Eine analoge Anwendung der eng begrenzten Ausnahmevorschrift des § 9 BUrlG kommt nicht in Betracht. Nach der Konzeption des BUrlG fallen urlaubsstörende Ereignisse als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Eine Analogie kommt nur in Betracht, wenn generell und nicht nur ggfs. im konkreten Einzelfall eine COVID-19-Infektion zu Arbeitsunfähigkeit führt. Dies ist nicht der Fall. Eine Erkrankung mit COVID-19 führt z.B. bei einem symptomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit. Es liegt damit bei einer COVID-19-Infektion keine generelle Sachlage vor, die eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG rechtfertigt.“
NEU Frage 36: Erwirbt ein Arbeitnehmer Urlaubsansprüche, wenn seine Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert wurde?
Ja, grundsätzlich erwirbt ein Arbeitnehmer auch dann Urlaubsansprüche, wenn seine Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert wurde. Wenn die Kurzarbeit dazu führt, dass an manchen Tagen der Woche nicht gearbeitet wird, verringert sich aber die Zahl der Urlaubstage, auf die der Mitarbeiter Anspruch hat, entsprechend. Die Kurzarbeit ist dann so zu behandeln wie eine dauerhafte Verringerung der Arbeitsverpflichtung, z.B. beim einzelvertraglich vereinbarten Übergang von Vollzeitbeschäftigung zu Teilzeitbeschäftigung.
Beispiel: Der Arbeitnehmer leistet für drei Monate Kurzarbeit 0. Hier verringert sich sein Urlaubsanspruch für das betreffende Jahr um ein Viertel (vgl. EuGH, Urt. v. 08.11.2012 – C-229/11).
BAG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21:
„Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden. Dies entsprach bei einer vereinbarten Dreitagewoche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.
Aufgrund Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie führte die Beklagte Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, auf deren Grundlage die Klägerin ua. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.
Aus Anlass der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Dagegen hat sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020. Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien – wie im vorliegenden Fall – für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).“
Siehe aber auch ArbG Osnabrück v. 08.06.2021 – 3 Ca 108/21: Das Gericht sieht keine rechtliche Möglichkeit der anteiligen Kürzung von Urlaub, wenn es nicht zu einer Kurzarbeit Null gekommen ist!
Frage 37: Kann ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null Urlaub nehmen?
Während einer Kurzarbeit Null kann kein Urlaub gewährt und genommen werden. Denn es gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein wegen Kurzarbeit Null bereits freigestellter Arbeitnehmer nicht nochmals zum Zwecke der Erfüllung des Urlaubsanspruchs freigestellt werden kann. Steht also die Zeit der Kurzarbeit Null vor Urlaubserteilung fest, kann für diesen Zeitraum kein Urlaub gewährt bzw. genommen werden.
Frage 38: Wie beeinflusst Kurzarbeit das Urlaubsentgelt?
Dazu regelt § 11 Abs. 1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) Folgendes:
„Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht [Hervorhebungen durch die Verf.]. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.“
Frage 39: Was ist mit einem bereits genehmigten Urlaub und Kurzarbeit 0?
Diese Frage ist nach derzeitigem Stand der Dinge leider nicht eindeutig zu beantworten.
Es gibt Stimmen, die sprechen sich dafür aus, dass Urlaub während Kurzarbeit 0 rechtlich nicht genommen werden könne, da Urlaub eine Befreiung von einer ansonsten bestehenden Arbeitspflicht bedeute. Wenn sich der Arbeitnehmer in Abstimmung mit dem Arbeitgeber in Kurzarbeit 0 befinde, könne es eine urlaubsbedingte Freistellung nicht geben. Mit anderen Worten: Die Kurzarbeit geht vor, der Arbeitnehmer kann den einmal gewährten Urlaub zu einem anderen, späteren Zeitpunkt gewissermaßen nachholen.
Andere verweisen auf Sinn und Zweck der Kurzarbeit. Diese diene dazu, einen Arbeitsausfall zu kompensieren. Befinde sich ein Arbeitnehmer rechtmäßig im zeitlich vor der Kurzarbeit mit dem Arbeitgeber abgestimmten Erholungsurlaub, dann falle für diesen Arbeitnehmer keine Arbeit aus. Demzufolge sei der Erholungsurlaub gegenüber der Kurzarbeit vorrangig. Es mag sich der Arbeitnehmer dann zeitlich vor und zeitlich nach dem Urlaub in Kurzarbeit 0 befinden, während des Urlaubs aber nicht.
Ein weiterer Aspekt ist zu beachten: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gewährt grundsätzlich dann kein Kurzarbeitergeld, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsausfall beklagt, den er auf andere Art und Weise – z. B. durch Gewährung von Erholungsurlaub – abwenden kann. Es fragt sich also in der hier beschriebenen Fallkonstellation, ob die BA überhaupt Kurzarbeitergeld gewährt, wenn ihr der Sachverhalt bekannt wird.
Am Ende werden diese Fragen(n) die Gerichte zu entscheiden haben.
Frage 40: Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (unentgeltlich) freistellen, wenn dies zum Schutz anderer Arbeitnehmer notwendig ist?
Das dürfte eher eine medizinische Frage sein. Sollte das gesundheitliche Risiko wegen eines bestehenden Coronaverdachts für andere Arbeitnehmer so hoch sein, dass ein umsichtiger Arbeitgeber einen solchen Arbeitnehmer nicht beschäftigen würde und nicht beschäftigen dürfte (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den anderen Arbeitnehmern!), ist der Arbeitnehmer zwingend freizustellen.
Die dann entscheidende Frage ist die nach der Vergütung. Wir glauben, dass eine solche Pflicht zur Entgeltleistung im Regelfall nicht besteht (vgl. § 297 BGB). Sicher ist das aber keinesfalls. Hier dürfte Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien entstehen, den ggf. die Gerichte entscheiden müssen.
Frage 41: Was ist mit Arbeitnehmern in Elternzeit? Was ist mit Arbeitnehmern im Beschäftigungsverbot?
Bei Arbeitnehmern, die sich in Elternzeit befinden, ändert sich an diesem Status durch das Coronavirus und seine sonstigen Folgen erst einmal nichts.
Im Ergebnis das Gleiche gilt für Arbeitnehmerinnen, die sich im Beschäftigungsverbot befinden. Hier zahlt in aller Regel – zumindest im Ergebnis – die Krankenkasse des Arbeitnehmers das Arbeitsentgelt (es besteht ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber der Krankenkasse). Das dürfte auch während einer Phase der Kurzarbeit im Betrieb unverändert geschehen.
Achtung: Wie wir erfahren haben, sollen einige Krankenkassen gegenüber betroffenen Arbeitgebern erklärt haben, dass diese die Arbeitnehmer, die sich im Beschäftigungsverbot befinden, nur noch in Höhe des Kurzarbeitergeldes vergüten sollen. Zudem sollen Ansprüche auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes sodann gegenüber der Bundesagentur für Arbeit reklamiert werden. Damit wären die Krankenkassen aus der Zahlungspflicht entlassen.
Wir halten die Auffassung der Krankenkassen für falsch! Das schon deshalb, weil die Arbeitnehmerin, die sich im Beschäftigungsverbot befindet, der Kurzarbeit hätte zustimmen müssen, was regelmäßig nicht der Fall ist. Ohne Zustimmung bleibt es bei den ansonsten maßgeblichen rechtlichen Regeln.
Im Falle eines ablehnenden Bescheides helfen wir den betroffenen Arbeitgebern sehr gerne – bundesweit!
Ihre bundesweit für Sie tätigen Ansprechpartner für diesen Fragenkreis sind:
RAin Annette Hochheim, Fachanwältin für Sozialrecht
RA Raik Pentzek, Fachanwalt für Sozialrecht
RAin Seiffart, Fachanwältin für Sozialrecht
NEU Frage 42: Welche Formulare/Muster/Dokumente sind im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie hilfreich?
Nachfolgend einige für die Praxis hilfreiche Formulare und Mustertexte:
- Formulare, die die Kurzarbeit betreffen
Hier geht es zum Dokument Zustimmung des Arbeitnehmers zur Kurzarbeit
Hier geht es zur Anzeige der Kurzarbeit
Hier geht es zum Antrag auf Kurarbeitergeld
Hier geht es zur Kug-Abrechnungsliste als Anlage zum Leistungsantrag (Formular KUG 108)
Hier geht es zum Formular freiwillige Zusage über eine Nettoentgeltaufstockung
- Freiwillige Bonuszahlung
Hier geht es zum Formular freiwillige Bonuszahlung
- Gesetzestexte
Gesetzestext IfSG
Gesetzestext SGB III
- Betriebsschließungsversicherung zahlt nicht
- Hilfe in Fällen, in denen die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld ablehnt
ETL-Prüfstelle-Kurzarbeitergeld
Frage 43: Was ist mit der Möglichkeit der Verleihe von Arbeitnehmern nach AÜG?
Wer an sich keine Arbeitnehmerüberlassung durchführt, aber gelegentlich wegen der aktuellen Corona-Krise eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anderen Unternehmen, die einen akuten Arbeitskräftemangel (z. B. in der landwirtschaftlichen Erzeugung und Verarbeitung, in der Lebensmittellogistik oder im Gesundheitswesen) haben, überlassen möchte, kann dies ausnahmsweise grundsätzlich auch ohne eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) tun. Voraussetzung hierfür ist, dass
- die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Überlassung zugestimmt haben,
- nicht beabsichtigt ist, dauerhaft als Arbeitnehmerüberlasser tätig zu sein und
- die einzelne Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation erfolgt.
Die gesetzliche Regelung hierzu findet sich in § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG. Angesichts der besonderen Bedeutung derartiger Einsätze ist es sachgerecht und dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend, wenn die eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Stammbeschäftigten im Einsatzbetrieb gleichgestellt werden.
Achtung: Das geht nicht in Baubetrieben!
Frage 44: Kann wegen Kurzarbeit im Jahr 2021 das Weihnachtsgeld gekürzt oder sogar gestrichen werden?
Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Ob einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Weihnachtsgeld dem Grunde nach zusteht und – wenn ja – in welcher Höhe, ist in erster Linie nach den zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarungen zu beurteilen.
Handelt es sich um eine sog. freiwillige Leistung des Arbeitgebers, käme eine ratierliche Kürzung mit Blick auf Zeiten zeitweiliger Kurzarbeit oder gar eine komplette Streichung der Sonderzahlung durchaus in Betracht. Das setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber auf Grund eines klaren und verständlichen Freiwilligkeitsvorbehalts einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung wirksam ausgeschlossen hat. Dann ist der Arbeitgeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung gewährt (vgl. BAG, Urt. v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06).
Andernfalls muss auf der Basis der konkreten Abrede geklärt werden, ob es sich vertraglich um eine Belohnung für geleistete Arbeit oder eine solche für die durch den Arbeitnehmer gezeigte Betriebstreue handelt. Eine Kürzung für Zeiten der Kurzarbeit dürfte allenfalls im ersten Fall zulässig sein. Dann müsste aber auch noch eine entsprechende Kürzungsabrede getroffen worden sein, so wie es in manchen Tarifverträgen der Fall ist (vgl. beispielsweise BAG, Urt. v. 27.01.1994 – 6 AZR 541/93: Kürzung für „zeitweilig nichttätige Beschäftigte“).
Frage 45: Was ist mit Urlaubsgeld und Corona im Jahr 2021?
Hier gilt im Grundsatz das gleiche wie beim Weihnachtsgeld (siehe dazu vorstehende Frage 44). Ein zum Urlaubsentgelt (vgl. dazu § 11 BUrlG) zusätzlich gezahltes Urlaubsgeld kann gekürzt oder gar vollständig gestrichen werden, wenn ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt eine Bindung des Arbeitgebers für die Zukunft ausschließt. Anders ist das aber etwa bei tariflich zwingend vorgesehenem Urlaubsgeld oder eben dann, wenn sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine sog. betriebliche Übung stützen kann.
Frage 46: Darf der Arbeitgeber während der Kurzarbeit Überstunden anordnen?
Nein, das darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht. Unabhängig von den mit der Anordnung von Überstunden verbundenen arbeitsrechtlichen Fragen, wird sich das mit der Kurzarbeit an sich, also einem durch den Arbeitgeber behaupteten Arbeitsausfall, nicht vertragen. Wieso soll einerseits Arbeit ausfallen, wenn andererseits Überstunden geleistet werden?
Ausnahmen sind denkbar. Dieses dürfte aber nur ganz selten auftreten. So könnte ggf. eine Anordnung Überstunden zu leisten dann nicht schädlich für den Bezug von Kurzarbeitergeld sein, wenn die Überstunden in einer Abteilung geleistet werden, in der kein Arbeitnehmer Kurzarbeit leistet. Aber auch dann wäre zu prüfen, ob nicht ein Arbeitnehmer, der aktuell Kurzarbeit leistet, zur Arbeitsleistung herangezogen werden kann, sodass insoweit Kurzarbeit zumindest verringert wird.
Achtung: Ordnet der Arbeitgeber Überstunden und beantragt gleichwohl Kurzarbeitergeld kann Strafbarkeit drohen!
Frage 47: Innerhalb welcher Zeit muss der Arbeitnehmer nach dem Ende der Kurzarbeit wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren?
Diese Frage ist gesetzlich nicht geklärt. Zunächst dürfte die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Kurzarbeit maßgeblich sein. Fehlt es dort an Angaben zu der hier behandelten Frage, wird es schwierig.
Da die Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis als solches nicht berührt, lässt sich die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer auf eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers hin unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern an den Arbeitsplatz zurückkehren muss, ggf. noch am selben Tag.
Auch ist es denkbar, unter Beachtung des Rechtsgedankens von § 12 TzBfG über eine Frist von vier Tagen nachzudenken.
Frage 48: Verliert man den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird?
Ein befristetes Arbeitsverhältnis kann unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden, ohne dass dies der (unveränderten) Befristung schadet (siehe dazu im Einzelnen § 14 TzBfG). Auch das Kurzarbeitergeld wird in solchen Fällen allein dadurch, dass die Befristung verlängert wird, nicht berührt, d.h. ein fortgesetzter Bezug von Kurzarbeitergeld ist möglich.
Frage 49: Was passiert arbeitsrechtlich, wenn die Corona-App eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus meldet und das Gesundheitsamt eine Absonderung nach IfSG anordnet?
Diese Frage ist im Wesentlichen bereits beantwortet. Zusammengefasst gilt:
- Die Absonderung führt arbeitsrechtlich dazu, dass dem Arbeitnehmer während der Zeit der Absonderung die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich ist; mithin entfällt seine Pflicht zur Arbeit (vgl. § 275 Abs. 1 BGB). Eine Kündigungsmöglichkeit seitens der Arbeitnehmers besteht grundsätzlich nicht. Ggf. besteht die Möglichkeit, oder sogar die Pflicht, die Arbeit im Homeoffice zu leisten.
- Die Pflicht zur Lohnfortzahlung entfällt nach § 326 Abs. 1 BGB, jedenfalls soweit der Arbeitnehmer nicht arbeitet.
- § 616 BGB ist nach unserer Auffassung nicht maßgeblich (kein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund, sondern ein objektives Leistungshindernis); ggf. ist die Bestimmung des § 616 BGB aber durch wirksame Vereinbarung ohnehin ausgeschlossen.
- Der Arbeitgeber hat für die Zeit der durch die Behörden angeordneten Maßnahme, maximal für sechs Wochen, eine Entschädigung in Höhe des Arbeitsentgelts zu leisten; auf Antrag ist dieses von der Behörde zu erstatten (zu den Einzelheiten siehe § 56 IfSG)
Frage 50: Was ist, wenn aufgrund einer Meldung durch die Corona-App die zuständige Gesundheitsbehörde lediglich eine Empfehlung ausspricht, dass sich der Arbeitnehmer absondert?
Fehlt es an einem Verwaltungsakt seitens einer Gesundheitsbehörde und empfiehlt diese dem Arbeitnehmer lediglich sich abzusondern, wird es rechtlich und insbesondere arbeitsrechtlich schwierig. Auch hier haben wir bereits Antworten geliefert, die wir wie folgt zusammenzufassen und ergänzen:
- In der Konstellation von Frage 50 besteht weder ein Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich in Quarantäne zu begeben, noch ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG.
- Der Arbeitgeber ist unabhängig von allem an öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorgaben sowie seine zivilrechtliche Fürsorgepflicht gebunden (§ 241 Abs. 2, BGB § 618 BGB) und muss daher Infektionsrisiken so gut wie möglich und soweit zumutbar vermeiden.
- Kommt der Arbeitgeber seinen Pflichten nach vorstehendem Absatz nicht nach, kommen Leistungsverweigerungsrechte oder auch Zurückbehaltungsrechte betroffener Arbeitnehmer in Betracht.
- Alle weiteren rechtlichen Gesichtspunkte sind abhängig vom Einzelfall.
Frage 51: Darf der Arbeitgeber von Reiserückkehrern einen Corona-Test verlangen?
Ein grundloses Verlangen von allen Mitarbeitern/Reiserückkehrern ist nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber aber einen Test verlangen, wenn er hierfür ein besonderes Interesse vorweist. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn es Anhaltspunkte für eine erhöhte Infektionsgefahr vorliegen. Maßgeblich sei, dass der Arbeitgeber keine eigene Bewertung dessen vornimmt, was er für eine erhöhte Infektionsgefahr hält. Vielmehr muss er bei seiner Entscheidung die Maßnahmen der Behörden berücksichtigen, z.B. die der Landesbehörden, die zum Beispiel Quarantäneverordnungen erlassen oder aber die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Arbeitgeber gegenüber all seinen Arbeitnehmern Schutz- und Fürsorgepflichten hat, mithin auch gegenüber den Kollegen, die mit Reiserückkehrern in Kontakt treten. Besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr für andere Arbeitnehmer, weil ein Mitarbeiter zum Beispiel aus einem Risikogebiet zurückkehrt, für das eine Reisewarnung gilt, kann der Arbeitgeber einen Corona-Test verlangen. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, kann der Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers verweigern und schuldet kein Arbeitsentgelt.
Siehe auch § 56 Abs. 1 sowie § 28b IfSG!
Frage 52: Was passiert, wenn ich mich als Arbeitnehmer, dem aus beruflichen Gründen eine Impfung dringend anzuraten ist, nicht impfen lasse?
Wenn ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sich weigert, sich impfen zu lassen, ist das zunächst einmal (arbeits-)rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Impflicht besteht lediglich für bestimmte Einrichtungen (siehe dazu der geplante § 20a IfSG).
Siehe auch unserer gesonderten Beitrag (FAQ) zur Impfung gegen das Coronavirus.
NEU Frage 53: Was gilt für Arbeitnehmer, die einer Impfpflicht unterfallen, wenn sie ungeimpft bleiben?
Dann gilt spätestens ab Mitte März 2022, dass diejenigen, die sich trotz bestehender Impfpflicht (siehe dazu § 20a IfSG) nicht haben impfen lassen, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr beschäftigt werden dürfen. Ggf. droht diesen Arbeitnehmern in der Folge auch eine arbeitgeberseitige Kündigung, die innerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG (Kündigungsschutzgesetz) sozial gerechtfertigt sein kann.
Siehe auch schon oben Frage 26 zum verweigerten Test auf das Coronavirus.
Frage 54: Wer muss die Schutzmasken (FFP2 und andere) sowie Schutzkleidung zahlen, wenn der Arbeitnehmer diese während der Arbeit tragen muss?
Die Kosten muss der Arbeitgeber übernehmen, denn für Schutzkleidung am Arbeitsplatz ist der Arbeitgeber verantwortlich.
NEU Frage 55: Ist die Zeit, die der Arbeitnehmer für einen Test im Testzentrum aufbringt, Arbeitszeit? Wer bezahlt die Tests im Testzentrum?
Hier ist wahrscheinlich zu differenzieren. Ungeimpfte und nicht genesene Arbeitnehmer, die sich aufgrund ihres Impfstatus bzw. Serostatus zusätzlichen Tests unterziehen müssen, haben dies prinzipiell außerhalb der Arbeitszeit zu tun. Weiterhin haben Sie die Kosten für die Tests zu tragen, wenn nicht der Arbeitgeber (freiwillig) eine Kostenübernahme erklärt.
Für Geimpfte sowie genesene Arbeitnehmer gilt, dass der Arbeitgeber zwei Tests pro Woche auf seine Kosten zur Verfügung stellen muss. Die Zeit, die damit verbracht wird, dass sich der einzelne Arbeitnehmer testen lässt bzw. getestet wird, ist dann wahrscheinlich regelmäßig als Arbeitszeit anzuerkennen.
Achtung: Eine höchstrichterliche Klärung aller in Frage 55 aufgeworfenen Fragen ist bislang nicht erfolgt.